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Marathon

Marathon

Titel: Marathon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Frangenberg
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Trainingsanzug darüber. Im Radio
lief Werbung für ein Möbelhaus. Er ging in die
Küche, löste eine Calcium-Tablette in einem Glas Wasser
auf und setzte sich an den vorbereiteten Frühstückstisch.
Das letzte Essen vor dem Lauf war ein Ritual. Dazu gehörten
eine Scheibe Weißbrot mit Honig, zwei Bananen, die er sich zu
Haferflocken in ein Schälchen mit Milch schnibbelte, und ein
weich gekochtes Frühstücksei. Er aß langsam und
versuchte, sich ganz auf die kommende Herausforderung zu
konzentrieren - die größte seines Lebens.

37
    Remmer fluchte. Welche
Idioten hatten sich da tagelang mit diesen beschissenen Zahlen
beschäftigt? Die Polizei war zum Gespött der Stadt
geworden. Der lokale Radiosender hatte eine Riesenshow mit
Preisrätsel daraus gemacht, wollte sie sogar für ein
Interview gewinnen, um ihr live des Rätsels Lösung
mitzuteilen. Was für eine Sauerei! Schon vor der Ausstrahlung
hatten mehrere Teilnehmer des Marathons bei der Polizei angerufen
und die Bedeutung der Zahlen erklärt.
    »Was für
eine Scheiße!«, brüllte sie in diesen
wunderschönen Morgen, während Gröber und einige
Kollegen zusammen mit der Spurensicherung das Gebüsch
durchkämmten. Sie selbst war an dieser verdammten
»Dreißig« schon vorbeigefahren, als sie auf dem
Weg zu Gassmann gewesen war. Sie hatte den Mann sogar danach
gefragt, wie bei diesem blödsinnigen Lauf die Zwischenzeiten
gestoppt werden. Sie konnte sich gar nicht beruhigen.
    »Reg dich nicht
so auf«, versuchte Schmallenberg sie zu beruhigen. Der
Pathologe war mitgekommen, um die Leiche, die sie hier finden
sollten, gleich begutachten zu können. Vielleicht war er aber
auch nur da, um endlich mal mit Remmer in Ruhe sprechen zu
können. »Warum rufst du nicht zurück?«,
fragte er sie.
    »Findest du das
passend jetzt?«, fragte sie zurück.
    »Wann passt es
denn?«
    »Wenn dieser
Fall hier abgeschlossen ist.«
    »Sicher?«
    Sie ließ die
Frage unbeantwortet. Glücklicherweise stieß Gröber
zu ihnen.
    »Was ist, wenn
er nicht hier ist?«, fragte er. »Wir finden
nichts.«
    Noch war die Innere
Kanalstraße frei befahrbar. Viel los war hier am
Sonntagmorgen trotzdem nicht. Sie wollten sich beeilen, um
möglichst kein Aufsehen zu erregen. In ein, zwei Stunden
würden hier die ersten Zuschauer auf die Inline-Skater warten,
die vor den Marathon-Läufern die Strecke entlangflitzten.
Kilometer Dreißig war Niemandsland. Kein Haus, kein
Parkplatz, nur ein einsamer Stromkasten neben dem Radweg, der auf
beiden Seiten neben der Straße entlangführte. Dahinter
wucherten dichtes Gestrüpp, Sträucher und Müll
zwischen ein paar Bäumen. Nur ein Toter lag hier
nicht.
    »Was ist das
da?«, fragte Remmer und deutete auf einen Zaun hinter dem
Dickicht. Gröber kommandierte die Kollegen durch die
Sträucher.
    »Der Zaun von
einem Kindergarten«, rief er zurück. »Wir klettern
da mal rüber.«
    Remmer folgte den
Kollegen durchs platt getretene Unterholz.
    »Im
Kindergarten«, murmelte sie vor sich her, »du mieses
Schwein.«
    Während sie mit
viel Mühe über den etwa zwei Meter hohen Zaun kletterte,
sah sie Gröber und einen Kollegen der Spurensicherung in einem
kleinen Holzhaus verschwinden, aus dem eine Rutschbahn in einen
Sandkasten führte. Sie hatten ihn gefunden.
    Höllerbach lag
zusammengekauert mit verzerrtem Gesicht, die Arme seltsam
verschränkt in einer Ecke des Spielhauses. Der Regen der
letzten Tage war durch das Dach des kleinen Hauses gedrungen und
hatte die blutrote Kleidung völlig durchnässt. Neben ihm
lagen zerfleddert und in Blut und Regen getränkt ein paar
Fetzen Papier, die sich erst bei näherer Betrachtung als Teil
des Pornohefts identifizieren ließen, das sie bei ihrem
Besuch bei Höllerbach auf dessen Wohnzimmertisch gesehen
hatten.
    Remmer fühlte bei
allem Ärger über die peinliche Volksbefragung
Erleichterung, als sie aus dem kleinen Haus
hinauskletterte.
    Es war gut, ihn
gefunden zu haben. Sie war sich immer noch nicht sicher, ob sie
seinen Tod nicht doch hätte verhindern können.
Hätten sie ihn einfach mitgenommen und in eine
Ausnüchterungszelle gesperrt, wäre er vielleicht noch am
Leben. Vielleicht. Sie schnorrte sich bei einem uniformierten
Kollegen eine Zigarette, zog sich ihr Halstuch von den Schultern,
stopfte es in eine Manteltasche und setzte sich auf die Schaukel,
die neben dem Sandkasten aufgebaut war. Sie zog tief den Rauch der
Zigarette ein und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren. Waren sie
nun wirklich weiter als

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