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Marathon

Marathon

Titel: Marathon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Frangenberg
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vorbei. Ich werde dir alles erklären
können.«
    »Er hat von
dieser Randy geschwärmt. Er habe sie gemocht und so. In der
besagten Nacht seien sie zu Tieren geworden. Sie hätten diese
Randy verbluten lassen.«
    Lisas Vater hörte
regungslos zu, während es in Remmers Kopf rotierte.
    »Einfach so
wäre sie verblutet, hat er gesagt.«
    Remmer lief es
heiß und kalt über den Rücken. Sie sprang aus dem
Auto und rief die Polizisten zurück. »Hören Sie,
stellen Sie sich auf die Strecke. So weit wie möglich vom Ziel
entfernt. Lassen Sie sich den Läufer mit der Startnummer 5419
beschreiben. Und wenn er kommt, nehmen Sie ihn unter irgendeinem
Vorwand fest. Er darf nicht ins Ziel laufen, verstehen Sie? Ich
schätze«, sie schaute auf ihre Armbanduhr, »dass
er in etwa einer Dreiviertelstunde hier sein wird. Das müsste
zu schaffen sein.«
    Sie sprang zurück
ins Auto und sah Randberg mit scharfem Blick an, während sie
zum Funkgerät griff.
    »Gröber?
Kannst du wieder laufen, ihm den Weg abschneiden?«
    »Was willst
du?«, brüllte ihr fassungsloser Kollege
zurück.
    »Die Strecke
führt zurück in die Stadt. Schlag dich zur Deutzer
Brücke durch, da warten zwei Kollegen, und dann holt ihr
Gassmann von der Strecke.«
    Gröber antwortete
nicht. Doch viel interessanter fand sie, was mit Randberg vor sich
ging. Plötzlich war wieder viel Kraft in diesem Mann zu
spüren. Er zuckte nervös hin und her. Er machte
Anstalten, aus dem Auto zu steigen.
    »Was haben Sie
bezahlt? Und wo steht er?«, brüllte sie ihn
an.

57
    »Der menschliche
Blutkreislauf ist ein Wunderwerk aus kilometerlangen Röhren,
ein Netz von Adern für eine gigantische Blutrotation.«
Gassmann erinnerte sich an ein Lehrbuch, das ihm mal in die
Hände gefallen war. »Ist der Mensch am Leben, kreisen
Tag für Tag etwa siebentausend Liter Blut durch seinen
Körper. Wird das Netz an einigen Punkten mit sauberen
Schnitten durchtrennt, endet der Kreislauf. Dann werden aus
siebentausend Litern plötzlich
fünf.«          
    Der Säbel hatte
solch sauberen Schnitte gemacht. Wie bei einem geplatzten Schlauch
war die Flüssigkeit ausgetreten. Ein paar Sekunden spritzte
Randys Blut aus ihren ausgestreckten Armen, bevor der Druck
nachließ und es wie rote Farbe über ihren weißen
Körper lief. Er hatte geglaubt, dass die Erde unter ihm bebte.
Sie ließen Blut in seinem Namen fließen. Viel zu viel
Blut. Niemand von ihnen war noch in der Lage, einen klaren Gedanken
in diesem Rausch zu fassen, in den sie sich hineingesteigert
hatten.
    Schließlich war
Höllerbach einfach umgefallen, trunken und kraftlos
zusammengebrochen. Damit verlor Randy ihre Stütze.
Wahrscheinlich hatte sie sich schon seit Minuten nicht mehr allein
halten können. Keiner hatte gemerkt, dass aus ihrem Schreien
zunächst ein Wimmern und dann Schweigen geworden war. Jetzt
lag sie in ihrem Blut, die Gliedmaßen völlig
unnatürlich abgeknickt. Aus der erhabenen Größe,
die sie eben noch ausgestrahlt hatte, war ein kümmerliches
Häufchen Elend geworden. Langsam waren sie verstummt, hatten
sich mit glasigen betrunkenen Augen angesehen. Vosskamp
übergab sich, kotzte in den eigenen Schoß, weil er keine
Kraft mehr hatte, sich wegzudrehen. Als er fertig war, wurde es
totenstill auf dem Friedhof. Kein Windhauch war mehr zu hören
und zu spüren. Nur das Holz im fast abgebrannten Feuer knackte
leise.
    Gassmanns Puls schlug
gleichmäßig, als er zurück auf den Sachsenring
einbog. Schlag für Schlag, Schritt für Schritt, schob
sich im Gleichmaß der Strom aus Zellen und Blutplasma durch
die Adern und versorgte seine Organe optimal mit Sauerstoff und
Nährstoffen. Es war enorm wichtig, weiter ökonomisch zu
laufen und nicht der Versuchung zu erliegen, das Letzte aus sich
herauszuholen. Beine und Rücken begannen, das Ziel
herbeizusehnen, in seinen Hüften machte sich ein diffuser
Schmerz bemerkbar. Technik war jetzt alles, Maß zu halten das
einzige Erfolgsrezept. Die Atemarbeit wurde anstrengender. Links
und rechts konnte er wie bei jedem Marathon Mitläufer sehen,
die für ihre Fehler bestraft wurden und sich nun regelrecht
quälten, um den Rest der Strecke zu schaffen. Nur noch er war
wichtig. Nur noch fünfeinhalb Kilometer, dann würde es
vorbei sein. Noch einmal durchs Severinstor, parallel zur alten
Römerstraße zum Dom, noch einmal die beiden Türme
der großen Kathedrale sehen, bevor es über die Deutzer
Brücke ins Ziel ging.

58
    Randberg blieb stumm.
Er hatte seinen Kopf in den

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