Marcelli Sisters 03 - Eine Marcelli weiß, was sie will
auf. „Was weißt du über die Vergangenheit?“
„Ziemlich viel. Jedenfalls mehr als vor ein paar Tagen.“ Sie hob das Tagebuch wieder auf und tätschelte es liebevoll. „Das sind die Aufzeichnungen von Sophia Giovanni. Sie beginnen vor der Hochzeit mit Salvatore und enden, kurz nachdem Sophia eine Totgeburt hatte. Sie schreibt hier drin über alles. Auch darüber, dass Salvatore den Marcelli-Wein vergiftet hat.“
Ihr Großvater streckte die Hand nach dem Tagebuch aus. Er war blass, und seine Finger zitterten.
„Es steht alles da drin? Die Wahrheit?“
Mia nickte.
„Das hat so viel geändert“, sagte er leise. „So viel schlechtes Blut. Und die ganzen Jahre so viel neuer Schmerz und Hass.“
„Du kennst die Wahrheit?“, fragte Brenna. „Du hast es die ganze Zeit gewusst und nie ein Wort gesagt?“
„Ich habe es mir über die Jahre zusammengereimt. Ein Wort hier, ein Flüstern da. Ich war noch ein kleiner Junge, als das alles passiert ist.“
Brenna dachte an all die Male, als ihre Schwestern und sie den alten Mann für verrückt erklärt hatten. Als sie sich über ihn mokiert hatten, weil er diese alten Geschichten so ernst nahm. Sie schluckte. „Wenn wir gewusst hätten, dass …“
Lorenzo schüttelte den Kopf. „Was hätte das geändert? Die Jungen und die Alten haben sich schon immer gestritten. Das ist der Lauf der Dinge.“
Vielleicht, dachte Brenna. Sie fror, und ihr ganzer Körper schmerzte. Ihr Herz war wie versteinert. Sie hätte jetzt gern geweint, laut geschrien oder um sich geschlagen.
Vom Flur her erklangen Schritte. „Wo seid ihr?“, rief Grandma Tessa. „Das Abendessen ist fertig. Was? Mary-Margaret und ich geben uns solche Mühe. Und dann will keiner etwas essen?“
Sie betrat die Bibliothek. „Lorenzo, du kommst jetzt bitte und isst. Mia, Brenna.“ Sie zögerte. „Was ist? Was ist passiert?“
Ihr Mann sagte etwas auf italienisch zu ihr. Mia konnte es wahrscheinlich verstehen, Brenna dagegen konnte nur raten. Aber das war ja auch nicht weiter schwer, da musste man ihre Großmutter nur ansehen: Mit zitternden Fingern zog Grandma Tessa den Rosenkranz hervor und begann, lautlos die Lippen zu bewegen.
Brenna wollte nur noch raus, weg, fliehen. Zu viele Gefühle kämpften in ihr. Sie konnte sie nicht alle benennen, aber eines war klar: Sie würden demnächst außer Kontrolle geraten.
Schnell stand sie auf. Ihre Großmutter eilte zu ihr und nahm sie in die Arme. „Meine arme Kleine. Komm mit. Wir legen dich ins Bett, und morgen sieht die Welt schon ganz anders aus. Alles wird gut. Vielleicht etwas Pasta? Um deinen Magen zu füllen?“
Brenna drückte Grandma Tessa fest an sich. Dann trat sie einen Schritt zurück. Sie wollte keine Pasta. Sie wollte Rache. Verflucht sei dieser verdammte Nic! Wie konnte er es nur wagen, mit ihr zu spielen? Sie zu benutzen? Sie hatte ihm ihren Körper geschenkt … und ihr Herz.
„Ich hasse ihn“, flüsterte sie.
„Wen?“, fragte ihre Großmutter. „Hass ist eine Sünde, Brenna.“
„Sei still, Tessa“, befahl Lorenzo. „Lass das Mädchen in Frieden.“
Ein winziger Teil von Brennas Hirn nahm überrascht zur Kenntnis, dass ihr Großvater ihr zu helfen versuchte. Aber darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern. Sie war so wütend, dass sie jeden Moment explodieren würde.
Sie musste etwas tun, sich bewegen. Mit großen Schritten ging Brenna auf die Tür zu. Doch plötzlich blieb sie stocksteif stehen, weil sie ein nur allzu bekanntes Geräusch vernommen hatte. Konnte das sein? Irgendwo da draußen fuhr ein Motorrad. Nics Motorrad.
Ihre Wut erreichte die Stärke eines Orkans.
„Ich bringe ihn um“, stieß sie hervor.
„Jetzt benimmst du dich aber sehr italienisch“, erwiderte Mia und packte sie am Arm. „Ich bin ja sehr dafür, dass du Nic die Meinung sagst. Aber vielleicht nicht gerade jetzt. Du bist noch viel zu aufgewühlt.“
„Bin ich nicht. Ich will nur den Kopf dieses Mistkerls im Staub rollen sehen.“
„Nettes Bild, Brenna.“
Mia zog sie am Arm. „Los, Schwesterherz. Komm mit. Du musst jetzt ganz schnell einen Drink nehmen.“
„Ich werde ihn fertigmachen.“
„Später. Grandma Tessa regelt das schon.“
Brenna wollte protestieren. Doch etwas Merkwürdiges geschah, als Mia und sie in der Küche ankamen. Sie setzte sich auf einen Stuhl. Und plötzlich konnte sie nicht mehr aufstehen. Ihr ganzer Körper zitterte wie Espenlaub. Und dann waren da auf einmal Tränen, und sie begann, heftig zu
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