Marco Polo der Besessene 1
oder südlich
von Eurem letzten Aufenthaltsort befindet -oder nördlich oder südlich irgendeines Eurer früheren Aufenthaltsorte.« Da wir in dem kamäl eine höchst nützliche Bereicherung
unserer Ausrüstung sahen, bezahlten wir mit Freuden dafür selbstverständlich erst, nachdem Arpad und der Händler ihre langwierige Feilscherei beendet und den Preis bei wenigen lächerlichen Kupfer-Shahis gefunden hatten. Danach kauften wir noch zahllose andere Dinge, von denen wir annahmen, daß wir sie unterwegs brauchen würden -und dank der Auffüllung unserer Reisekasse durch die Moschusbeutel des Ostikan konnten wir uns auch den einen oder anderen kleinen Luxus leisten, auf den wir sonst wohl verzichtet hätten.
Erst am Nachmittag sollten wir welche von denen Wiedersehen, die außer uns an dem Festmahl teilgenommen hatten, und zwar, als wir alle uns in der Kirche San Gregorio in Suvediye versammelten, um der Trauung beizuwohnen. Den verquollenen Gesichtern der Versammelten sowie dem gelegentlichen Aufstöhnen nach zu urteilen, litten die meisten Männer gleich Arpard immer noch unter den Nachwirkungen des Festes. Am schlimmsten sah der Bräutigam aus. Eigentlich hätte ich angenommen, daß er eher hochbefriedigt oder eingebildet oder schuldbewußt dreinblickte, doch machte er nur ein womöglich noch stumpfsinnigeres Gesicht als sonst. Die Braut war so dicht verschleiert, daß ich ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte, doch die hübsche Mutter und die verschiedenen anderen weiblichen Verwandten machten samt und sonders außerordentlich wütende Augen und funkelten erbost durch die Schlitze ihrer chador hindurch.
Die Trauung verlief ohne Zwischenfall, und unsere beiden Fratres, die unter den prunkvoll-grellen Gewändern der armenischen Kirche kaum wiederzuerkennen waren, halfen dem Metropoliten sehr umsichtig, die Trauungsmesse zu vollenden. Hinterher begab sich der Hochzeitszug und die gesamte Gemeinde abermals in den Palast, wo wieder ein Festmahl stattfinden sollte. Diesmal durften - mit Ausnahme der muslimischen -selbstverständlich auch die weiblichen Gäste dabei sein. Wieder wurde Unterhaltung geboten: die Purzelbaumschläger und Stehaufmännchen machten ihre Musik, und die Zauberkünstler, Sänger und Tänzer gaben Proben ihrer Kunst zum Besten. Der Abend war noch nicht weit fortgeschritten, da legte der Metropolit dem frischvermählten Paar -er mit schmerzverzerrtem Gesicht und sie trauriger, als selbst die Braut eines solchen Lümmels je aussehen dürfte die Hände zusammen, und nachdem er ein armenisches Gebet darüber gesprochen hatte, zogen sie sich unter halbherzigen anzüglichen Spaßen und Hochrufen von den Gästen in das oben gelegene Brautgemach zurück.
Diesmal herrschte soviel Lärm im Saal -denn Musiker wie Tänzer taten ihr möglichstes -, daß nicht einmal meine neugierig gespitzten Ohren irgendwelche Laute mitbekamen, die man als zum Vollzug der Ehe gehörig hätte ausmachen können. Nach einer Weile vernahm man jedoch eine Reihe dumpfer Schläge und etwas, das sich trotz des allgemeinen Lärms verdächtig wie ein ferner Schrei anhörte. Und plötzlich war Kagig wieder da, seine Kleidung völlig in Unordnung, so als wäre sie einmal abgelegt und dann hastig irgendwie wieder übergeworfen worden. Wütend kam er die Treppe heruntergestapft und betrat den Saal. Dort ging er schnurstracks auf den nächsten Weinkrug zu, sah sich nicht einmal lange nach einem Trinkgefäß um, sondern setzte ihn an und trank, bis der Krug kerzengerade in die Höhe stand.
Ich war nicht der einzige, der sein Eintreten bemerkt hatte. Nur meine ich, daß die anderen Gäste so überrascht waren zu erleben, einen jungen Ehemann seine Braut in der Hochzeitsnacht verlassen zu sehen, daß sie sich zuerst bemühten, so zu tun, als bemerkten sie ihn gar nicht. Er jedoch stieß laute Verwünschungen aus -zumindest kam mir sein Armenisch so vor, als fluchte er ganz gottserbärmlich -, so daß alle sein Hiersein zur Kenntnis nehmen mußten. Unter den Tscherkessen erhob sich abermals ein Murren, und der Ostikan Hampig rief besorgt etwas, das sich so anhörte wie: »Was um alles auf der Welt ist los, Kagig?«
»Was los ist?« rief der junge Mann laut -zumindest berichtete man mir später, daß er das gesagt haben soll; er war viel zu sehr außer sich, daß er etwas anderes als Armenisch hätte sprechen können. »Meine neue Frau hat sich als Hure entpuppt, das ist es, was los ist!«
Etliche Leute verwahrten sich gegen so
Weitere Kostenlose Bücher