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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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etwas und protestierten, und die Tscherkessen riefen ein Wort, das vermutlich »Lügner!« bedeutete, und dann: »Wie kannst du es nur wagen!«
    »Bildet ihr euch ein, ich wüßte nicht Bescheid oder hätte keine Augen im Kopf?« wütete Kagig, wie man mir später sagte. »Sie hat die ganze Trauung über hinter ihrem Schleier Tränen vergossen, war sie sich doch darüber im klaren, was ich bald darauf entdecken sollte! Sie weinte, als wir gemeinsam unser Hochzeitsgemach betraten, denn der Augenblick war nahe, da die Wahrheit an den Tag kommen sollte. Sie weinte, als sie und ich uns entkleideten, denn die Enthüllung ihrer Schande stand unmittelbar bevor! Und als ich sie umarmte, weinte sie womöglich noch mehr. Und im entscheidenden Augenblick stieß sie nicht den Schrei aus, der ausgestoßen werden muß. Folglich untersuchte ich sie und konnte kein Jungfernhäutchen entdecken; auch sah ich keinen Blutfleck auf ihrem Bett, und...«
    Einer von Seosseres männlichen Verwandten fiel ihm ins Wort und rief laut: »Oh, unseliger Gassenköter von einem Armenier,
    weißt du denn nicht mehr?«
    »Was ich weiß, ist, daß man mir eine Jungfrau versprochen hat! Und daran ändert weder ihr Geheul noch dein Geschrei etwas daß nämlich ein Mann vor mir sie gehabt hat!«
    »Verleumder, infamer! Du Nichts, du!« kam es speichelsprühend von den Tscherkessen. »Nie zuvor hat unsere Schwester Seosseres einem Mann beigewohnt!« Alle versuchten sie, an Kagig heranzukommen, doch andere Gäste hielten sie zurück.
    »Dann muß sie sich mit einem Phallocrypt gepaart haben!« schrie Kagig außer sich. »Einem Zeltpflock, einer Gurke oder einer von diesen haramlik -Schnitzereien! Doch das ist das einzige, was sie je wieder lieben wird!«
    »Oh, du Schandmaul! Oh, Auswurf, oh, Ausgeburt!« brüllten die Tscherkessen und kämpften mit denen, die sie zurückhielten. »Hast du unserer Schwester ein Leids getan?«
    »Das hätte ich tun sollen!« rief er murrend. »Die lügnerische Zunge hätte ich ihr herausschneiden und ihr zwischen die Beine werfen sollen! Siedendes Öl hätte ich nehmen und ihr in das besudelte Loch schütten! Lebendig ans Tor des Palastes hätte ich sie nageln sollen!«
    Bei diesen Worten wurde er von etlichen seiner eigenen Anverwandten gepackt und roh geschüttelt und gefragt: »Laß das jetzt! Was hast du ihr angetan?«
    Er rang sich frei von ihnen, schob sich schulterzuckend und mutwillig die Kleidung wieder zurecht und erklärte: »Ich habe
    getan, worauf ein gehörnter Ehemann ein Recht hat zu tun
    und werde auf Auflösung dieser Scheinehe bestehen.«
    Nicht nur die Tscherkessen, sondern auch die Araber und
    Armenier belegten ihn schreiend mit allen möglichen
    Schimpfworten. Da wurde soviel geschimpft und sich die Haare
    gerauft und an Barten gezerrt und Kleider zerrissen, daß es
    eine ganze Weile dauerte, ehe einer sich schließlich aufraffte
    und zusammenhängend sprach und dem verachtenswerten
    Ehemann sagte, was er in seiner Trunkenheit getan und dann
    vergessen hatte. Sein Vater, der Ostikan Hampig, war es, der
    ihm tränenerstickt sagte: »Ach, Kagig, du Unseliger, du warst
    es doch, der die Jungfrau ihrer Blüte beraubt habt' Gestern
    abend, am Vorabend deiner Hochzeit. Du hast es für wer weiß
    wie durchtrieben und amüsant gehalten, dir vor der Trauung zu
    holen, was dir erst als Ehemann zustand. Du bist nach oben
    gegangen und hast sie ins Bett gezwungen und hast hinterher
    hier in diesem selben Raum groß damit getan! Teuer ist es
    mich zu stehen gekommen, ihre Anverwandten hier davon
    abzuhalten, dich totzuschlagen und sie frühzeitig zur Witwe zu
    machen! Die Prinzessin ist frei von jedem Makel und über jeden
    Verdacht erhaben! Du bist es gewesen! Du selbst!«
     
    Die Schreie im Saal schwollen an.
    »Schwein!«
    »Aas!«
    »Fäulnis!«
    Woraufhin Kagig erbleichte und seine dicken Lippen zuckten
     
    und er sich zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, menschlich und
    wie ein Mann benahm und echten Gram zeigte und nach
    Wiedergutmachung verlangte, als ob er das ehrlich meinte,
    indem er schrie: »Mögen die glühenden Kohlen der Hölle auf
    mein Haupt gesammelt werden! Von ganzem Herzen habe ich
    die schöne Seosseres geliebt, und jetzt habe ich ihr Nase und
    Lippen abgeschnitten!«
     
    Mein Vater zupfte mich am Ärmel, und unauffällig schlüpften er, mein Onkel und ich durch die erregte Menge zur Tür des Speisesaals hinaus.
    »Das ist kein Brot für meine Zähne«, sagte mein Vater stirnrunzelnd. »Der

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