Marco Polo der Besessene 1
einem stattlichen Vermögen vermehren. Wir werden Kubilai einfach erklären, die Kirche sei während dieses papstlosen Interregnums völlig in Unordnung gewesen. Und das stimmt doch auch.«
»Einverstanden«, erklärte Onkel Mafio. »Wir setzen die Reise fort. Aber was machen wir mit diesem jungen Spund?«
Beide sahen mich an. »Nach Venedig kann er nicht zurück«, sann mein Vater. »Und das englische Schiff segelt nach England weiter. Allerdings könnte er auf Zypern umsteigen auf einen Segler, der nach Konstantinopel fährt...«
Hier hakte ich rasch ein: »Mit diesen beiden Dominikanermemmen werde ich nicht einmal bis Zypern auf einem Schiff fahren. Ich könnte in Versuchung geraten, Hand an sie zu legen, und das wäre ein Sakrileg. Damit wären alle meine Hoffnungen auf den Himmel flöten.«
Onkel Mafio lachte und sagte: »Aber lassen wir ihn hier zurück und bricht offene Feindschaft aus zwischen Tscherkessen und Armeniern, könnte Marco früher gen Himmel fahren, als ihm lieb ist!«
Seufzend sagte mein Vater zu mir: »Gut, dann kommst du also bis Baghdad mit. Dort werden wir einen Handelszug ausfindig machen, der über Konstantinopel nach Westen will. Dann wirst du deinen Onkel Marco besuchen. Entweder bleibst du bei ihm, bis wir zurückkehren, oder aber, wenn du hörst, daß Doge Tiepolo das Zeitliche gesegnet und einen Nachfolger gefunden hat, kannst du auch zu Schiff zurück nach Venedig.«
Ich glaube, von all den vielen Menschen, die Hampigs Palast um diese Zeit bevölkerten, waren wir die einzigen, die auch nur den Versuch machten, in dieser Nacht Schlaf zu finden. Wir taten denn auch so gut wie kein Auge zu, denn das ganze Gebäude wackelte förmlich unter vielen schweren Schritten und dem Geschrei zorniger Stimmen. Die tscherkessischen Gäste hatten himmelblaue Kleider angelegt, trugen also Trauer; gleichwohl schienen sie jedoch höchst trauerwidrig um das Gebäude herumzustürmen und die Verstümmelung ihrer Seosseres rächen zu wollen, wohingegen die Armenier sich nicht minder lautstark bemühten, sie zu beschwichtigen oder sie zumindest niederzuschreien. Der ganze Aufruhr hatte sich noch keineswegs gelegt, als wir zu den Palaststallungen hinaus in Östlicher Richtung in die Morgenfrühe hinausritten. Ich weiß nicht, was aus all den Menschen geworden ist, die wir zurückließen: ob es den beiden feigen Dominikanern gelang, mit heiler Haut Zypern zu erreichen, und ob die unseligen Bagratunians jemals von einem Vergeltungsschlag von seiten der Familie der Prinzessin getroffen wurden. Ich habe von jenem Tag an nie wieder weder von den einen noch von den anderen gehört. Und ehrlich gesagt sorgte ich mich an diesem Tag auch nicht um sie, sondern darum, wie ich im Sattel blieb.
Nie zuvor in meinem Leben hatte ich auf einem Reittier gesessen. Bisher war ich immer nur mit einem Boot oder Schiff gefahren. So sattelte mein Vater meine Stute, hieß mich, dabei zusehen, und erklärte mir, was ich zu tun hätte, um diese Aufgabe in Zukunft selbst zu übernehmen. Dann zeigte er mir, wie ich aufzusitzen hatte und von welcher Seite des Pferdes das am besten ging. Ich bemühte mich nachzumachen, was er mir vorgemacht hatte. So setzte ich den linken Fuß in den Steigbügel, hüpfte kurz auf dem rechten Fuß, schwang mich begeistert in die Höhe, schwenkte das rechte Bein über den Pferderücken und landete mit einem schmatzenden Laut rittlings im Sattel -und stieß ein wildes Schmerzensgeheul aus. Wie der Ostikan uns geraten, trug ein jeder von uns die Lederbeutel mit dem Moschus dergestalt zwischen dem Schritt, daß sie hinter unserem eigenen Gemächt herunterhingen; und genau auf diesen Beutel hatte ich mich mit Wucht gesetzt -und glaubte für einige schmerzliche Augenblicke des Hin-und Hergerutsches, mir meine eigenen empfindlichsten Teile zerquetscht zu haben.
Mein Vater und mein Onkel wandten sich wie auf Kommando ab, und ihre Schultern zuckten vor Lachen, als sie sich bemühten, ihre eigenen Reittiere zu besteigen. Allmählich erholte ich mich und schob die Beutel so zurecht, daß sie mein Kostbarstes nicht wieder in Gefahr bringen konnten. Als mir klar wurde, daß ich zum ersten Mal auf dem Rücken eines Pferdes saß, wünschte ich, ich hätte nicht mit einem ganz so großen Reittier angefangen -vielleicht lieber mit einem Esel; es kam mir nämlich vor, als schwankte ich sehr hoch über dem Boden unsicher hin und her. Gleichwohl blieb ich im Sattel sitzen. Mein Vater und mein Onkel saßen ebenfalls auf
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