Marco Polo der Besessene 1
Linken: »Zur Gutschrift für Messer Domeneddio« und fragte nur so, wer denn dieser Messere sei.
»Mefe -meiner Treu!« entfuhr es dem Maistro. »Du erkennst den Namen nicht, unter dem unser Herrgott Seine Geschäfte tätigt?«
Er ließ die Seiten dieses Hauptbuchs über den Daumen gleiten, um mir das Vorsatzblatt zu zeigen, auf dem schön mit Tinte geschrieben stand: »Im Namen Gottes und des Gewinns.«
»Wir kleinen Sterblichen kommen schon mit unseren eigenen Waren zurecht, wenn sie hier in dieser Halle lagern«, erklärte er. »Gehen sie jedoch auf dünnwandigen Schiffen hinaus aufs gefahrvolle Meer, sind sie ganz auf die Gnade Gottes angewiesen -wessen sonst? Infolgedessen betrachten wir Ihn bei einem jeden unserer Unternehmungen als Geschäftspartner. In unseren Büchern werden Ihm bei einer jeden Transaktion, die mit dem Weitertransport der Waren übers Meer verbunden ist, zwei volle Gewinnanteile ausgewiesen. Ist das Unternehmen ein Erfolg, erreicht die Fracht sicher ihren Bestimmungsort und wirft den erwarteten Gewinn ab, werden die beiden Gewinnanteile eben al conto di Messer Domeneddio gutgeschrieben und Ihm am Ende eines jeden Jahres, wenn die Dividenden zugeteilt werden, ausgezahlt. Oder vielmehr Seinem Geschäftsführer und Bevollmächtigten in der Person unserer heiligen Mutter, der Kirche. So verfährt jeder christliche Kaufmann.«
Hätte ich all die Tage, die ich die Schule schwänzte, mit so erbaulichen Gesprächen verbracht, würde kein Mensch sich beschwert haben. Ich hätte dann vermutlich eine bessere Erziehung genossen, als Fra Varisto sie mir jemals hätte können zuteil werden lassen. Nur brachten meine Streifzüge durch das Hafengebiet mich unweigerlich mit Menschen in Berührung, die weniger bewunderungswürdig waren als der Schreiber Isidoro.
Womit ich nicht behaupten will, dass die Riva eine Straße der untersten Gesellschaftsschichten gewesen wäre. Zwar wimmelt es dort zu jeder Tagesstunde von Handwerkern, Seeleuten und Fischern, doch ebenso sehr sah man dort wohlgekleidete Kaufleute, Makler und andere Handeltreibende, oft in Begleitung ihrer vornehmen Gattinnen. Die Riva ist außerdem auch noch eine Promenade, an schönen Tagen sogar noch nach Einbruch der Dunkelheit, auf der sich elegante Herren und Damen einfach ergehen, um die linde Brise zu genießen, die von der Lagune herüberweht. Gleichwohl mischen sich unter diese Leute tags wie nachts dreiste Burschen und Beutelschneider, Dirnen und andere Angehörige jenes Abschaums, den wir den popolazo nennen. Da waren zum Beispiel jene Rangen, denen ich eines Nachmittags auf dem Rivaer Quai begegnete und von denen einer sich damit vorstellte, dass er mit einem Fisch nach mir warf.
Es war kein besonders großer Fisch, und es handelte sich auch nicht um einen besonders großen Jungen. Er war etwa so groß wie ich und stand im selben Alter; außerdem wurde ich nicht verletzt, als der Fisch mich zwischen die Schulterblätter traf. Er hinterließ nur einen scheußlich modrigen Geruch auf meinem Rock aus Luccaer Seide, und ganz offensichtlich war es auch das, was der Junge beabsichtigt hatte, denn er selbst war in Lumpen gekleidet, die bereits nach Fisch stanken. Schadenfroh tanzte er um mich herum und sang einen Spottvers:
Un ducato un ducaton! Bütelo. bütelo. zo per el cavron!
Das ist nur der Bruchteil eines Kinderliedes, das bei einem Wurfspiel gesungen wird, doch hatte er das letzte Wort gegen eines ausgetauscht, von dem ich - obwohl ich euch damals noch nicht hätte sagen können, was genau es bedeutete wußte, dass es das schlimmste Schimpfwort ist, das ein Mann einem anderen an den Kopf werfen kann. Ich war noch kein Mann und er auch nicht; gleichwohl stand offensichtlich meine Ehre auf dem Spiel. Ich unterbrach ihn in seinem spöttischen Herumgehopse, indem ich beherzt auf ihn zutrat und ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzte. Leuchtendrotes Blut schoß ihm aus der Nase.
Ehe ich mich's versah, wurde ich unter dem Gewicht von vier anderen Burschen plattgedrückt. Mein Angreifer war nicht allein auf dem Quai umhergestrolcht und auch nicht der einzige, den die feinen Kleider erbosten, die Zia Zulia mich an Schultagen tragen ließ. Eine Zeitlang knackten die Planken des Landestegs unter unserem Geraufe. Etliche Vorübergehende blieben stehen, um uns zuzusehen, und einige von den Rauhbeinigeren riefen etwa: »Gib's ihm!« oder »Hau dem Bettelpack die Hucke voll'« Ich kämpfte tapfer, konnte jedoch immer nur gegen einen
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