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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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mongolischen Khanat gehört, ist es immer noch in Shahnate aufgeteilt wie zuvor, und zwar aus Gründen der Verwaltung. Gleichwohl ist jeder Shah dem Ilkhan Abagha untenan, genauso wie Abagha wiederum dem Khakhan Kubilai untenan ist.«
    Ich war beeindruckt. Ich wußte, daß wir noch viele Monate anstrengender Reise vor uns hatten, ehe wir die Stadt erreichen würden, in der dieser Khakhan Kubilai hofhielt. Doch bereits hier, am westlichen Rand Persiens, bereits hier bewegten wir uns innerhalb des Herrschaftsbereichs des fernen Khans. In der Schule hatte ich mich bewundernd und begeistert zugleich dem Studium des Alexanderbuchs hingegeben, und so wußte ich, daß Persien einst zum Reich des Eroberers gehört hatte, das so unendlich ausgedehnt gewesen war, daß man ihm den Beinamen ›der Große‹ gegeben hatte. Gleichwohl bildeten die Länder, die der Ma zedonier erobert und seinem Reich einverleibt hatte, nur einen Bruchteil der Welt, verglichen mit den unermeßlichen Ländereien, die Chinghiz Khan erobert hatte, die von seinen Eroberersöhnen noch erweitert worden waren und immer noch von seinen Erobererenkeln weiter ausgedehnt wurden -nämlich zu dem unvorstellbar großen Mongolischen Reich, über welches der Enkel Kubilai jetzt als Khan Aller Khane herrschte.
    Ich glaube, nicht einmal die Pharaonen des Altertums, noch der ehrgeizige Alexander, noch die habgierigen Caesaren hätten sich träumen lassen, daß es soviel Welt überhaupt gab; folglich können sie kaum davon geträumt haben, sie sich zu unterwerfen. Und was alle späteren Herrscher im Abendland betrifft, so nehmen ihr Ehrgeiz und ihre Eroberungen sich noch armseliger daneben aus. Neben dem Mongolischen Reich nimmt der ganze Europa genannte Kontinent sich wie eine kleine dichtbevölkerte Halbinsel aus, und alle Länder darauf darin denen der Levante ähnlich -sind nichts anderes als verstockt auf nicht vorhandene Bedeutung bedachte Provinzen. Von der erhabenen Höhe herab, auf welcher der Khakhan thront, muß sich meine Heimat, die Republik Venedig, mit ihrem ganzen Stolz auf die eigene Herrlichkeit und Größe bedeutungslos ausnehmen wie der Schlupfwinkel Suvediye des Ostikan Hampig. Sofern die Geschichtsschreiber fortfahren, Alexander den Großen zu feiern, sollten sie endlich Kubilai als den unvergleichlich viel Größeren anerkennen. Das freilich ist ihre Sache, nicht die meine. Ich kann nur sagen, daß ich beim Betreten persischen Bodens -ich, der kleine Marco Polo -den Fuß in das ausgedehnteste Reich setzte, das seit Anbeginn der Welt je von einem einzelnen Menschen beherrscht worden ist.
    »Sobald wir nach Baghdad kommen«, fuhr mein Vater fort, »werden wir dem dort regierenden Shah, wer immer es auch sein mag, das Empfehlungsschreiben von Kubilai vorweisen. Dann muß der Shah uns als Gesandte seines Oberherrn willkommen heißen.«
    So ritten wir also am Furat entlang hinunter nach Süden und stellten fest, daß allmählich wieder die Spuren der Zivilisation die Oberhand gewannen, denn dieser Landstrich wurde kreuz und quer von zahllosen Bewässerungskanälen durchzogen, die vom Fluß abgingen. Freilich, die hochragenden Holzräder in den Kanälen wurden weder von Mensch
    noch Tier, noch sonst was in Gang gehalten, sondern standen still. Die Tonkrüge, die an ihrem äußeren Rand befestigt waren, schöpften kein Wasser und gössen infolgedessen auch keines aus. Im breitesten und auch begrüntesten Teil des Tals nähert der Furat sich zugleich am weitesten jenem anderen großen, nach Süden fließenden Strom des Landes, dem Dijlah, manchmal auch Tigris genannt, von dem es heißt, auch er sei eines der vier Hauptwasser des Gartens Eden. Wenn das stimmt, müßte eigentlich das Land zwischen diesen beiden Strömen der Ort sein, wo das biblische Paradies gelegen hat. Und wenn wiederum das stimmt, dann war dieser Garten, als wir ihn erlebten, so menschenleer wie damals, nach der Vertreibung von Adam und Eva.
    Irgendwo in dieser Gegend verließen wir das Gebiet des Furat und ritten in östlicher Richtung die restlichen zehn farsakhs bis zum Dijlah hinüber, überquerten diesen Fluß auf einer Brücke sie bestand aus leeren Booten, über die man eine begehbare Straße gelegt hatte - und zogen in das auf dem Ostufer gelegene Baghdad ein.
    Die Bevölkerung der Stadt hatte -wie die des umliegenden Landes -durch Hulagus Belagerung und Einnahme bedauerlich abgenommen. Doch in den fünfzehn Jahren, die seither vergangen waren, war ein Großteil der Einwohner

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