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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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zurückgekehrt und hatte den Schaden, der damals entstanden war, wieder bereinigt. In Städten lebende Kaufleute, so scheint es, sind wohl widerstandsfähiger als Bauern vom Lande. Wie die primitiven bedawin, scheinen sich auch die zivilisierten Händler rasch von den Mißlichkeiten zu erholen, die ein solches Unglück mit sich bringt. Im Falle Baghdads mag das auch noch an dem Umstand liegen, daß so viele von den dort ansässigen Kaufleuten keine passiven und fatalistischen Muslime sind, sondern ununterdrückbar energiegeladene Juden und Christen
    -von denen einige ursprünglich sogar aus Venedig, ja, noch
    mehr sogar aus dem fernen Genua kamen. Vielleicht aber erholt Baghdad sich auch deshalb, weil es einfach eine so notwendige, an einem wichtigen Schnittpunkt mehrerer Handelsstraßen gelegene Stadt ist. Denn abgesehen davon, daß Baghdad der westliche Endpunkt der über Land führenden Seidenstraße ist, bildet sie auch noch den nördlichen Endpunkt der Seeroute von Indien her. Selbstverständlich ist die Stadt kein Seehafen, doch ist der Dijlah bis hierher für große Flußkähne schiffbar, und es herrscht ein entsprechend reger Verkehr. Die Kähne laufen entweder flußabwärts, oder aber sie werden gegen den Strom flußaufwärts gestakt, und so geht es hin und her zwischen Baghdad und dem im Süden am Persischen Golf gelegenen Hafen Basra, wo die vielen seetüchtigen arabischen Segler anlegen. Doch aus welchem Grunde auch immer -bei unserer Ankunft war Baghdad wieder das, was es auch vor der Einnahme durch die Mongolen schon war: ein reicher, von Leben pulsierender und bedeutender Handelsmittelpunkt.
    Dabei stand die Schönheit der Stadt ihrer Geschäftigkeit in nichts nach. Von allen Städten des Morgenlandes, die ich bisher kennengelernt hatte, erinnerte Baghdad am meisten an mein heimatliches Venedig. In dem am Dijlahufer gelegenen Hafenviertel ging es genauso lebhaft zu wie an der Riva Venedigs: es wimmelte dort genauso von Menschen und roch dort wie in meiner Heimatstadt, obwohl die Schiffe, die man dort sah - und die samt und sonders von Arabern gebaut und bemannt waren -, sich in keiner Weise mit den unsrigen vergleichen konnten. Es handelte sich um erschreckend schlecht gebaute Fahrzeuge, und man wunderte sich, daß sie überhaupt schwammen; dafür waren sie vollständig ohne Dübel, Nägel und Nieten gebaut, ja, ihre Rumpfplanken vielmehr mit Seilen einer bestimmten Faserart praktisch zusammengenäht. Und die Säume und Zwischenräume waren auch nicht mit Pech auskalfatert, sondern mit einer Art aus Fischtran hergestelltem Fett. Selbst die größten von ihnen wiesen nur ein einziges Steuerruder auf, und dieses war noch dazu nicht sonderlich auf Wendigkeit geeicht, denn es hing genau in der Mitte des Achterschiffs in seinen Angeln. Noch etwas war bedauerlich an diesen arabischen Kähnen: daß die Ladung so wenig fachgerecht gestaut wurde. Hatte man den Laderaum etwa mit einer Ladung Lebensmittel beladen, also mit Datteln und Früchten, Getreide und dergleichen, bringen die arabischen Schiffer es ohne weiteres fertig, auf dem Deck darüber eine Viehherde unterzubringen. Diese bestand nicht selten aus edlen arabischen Rassen, also wunderschönen Tieren - doch entleeren diese sich genauso oft und nicht minder reichlich wie jedes andere Pferd, und ihr Kot und ihre Jauche sickern ungehindert durch die Planken auf die darunter
    gelagerten, für den menschlichen Verzehr bestimmten Waren. Baghdad ist nicht wie Venedig von Kanälen durchzogen, doch werden die Straßen und Gassen dieser Stadt dauernd mit Wasser besprengt, um den Staub zu binden; aus diesem Grund sind sie ständig von einem feuchten Duft erfüllt, der mich von ferne an den Geruch unserer Kanäle erinnerte. Außerdem gibt es in der Stadt viele offene Plätze, die es durchaus mit Venedigs Piazze aufnehmen können. Bei einigen davon handelt es sich um bazär-Plätze mit Märkten darauf, doch in der Mehrzahl sind es öffentliche Gärten, denn die Perser lieben nichts leidenschaftlicher als Gärten. (Hier erfuhr ich, daß das Farsiwort für Garten, puiridaeza, zu unserem Bibelwort Paradies wurde.) Diese öffentlichen Gärten weisen Bänke auf, sich darauf auszuruhen, sowie Bäche, die hindurchziehen, Vögel, die hier ihr Nest bauen, und Büsche und Bäume, duftende Pflanzen und leuchtende Blumen -zumal Rosen, denn die Perser lieben auch Rosen leidenschaftlich. (In ihrer Sprache wird zwar jede Blume gul genannt, doch bedeutet dies Farsiwort ganz

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