Marco Polo der Besessene 1
wohl nur deshalb, weil ich während meines Aufenthalts in Baghdad erst den einen und dann einen anderen ungewöhnlich merkwürdigen Lehrer bekam, doch davon später.)
Ganz besonders einnehmend fand ich eine Art von Verschönerung, der ich in allen Innenräumen eines jeden öffentlichen und privaten Gebäudes in Baghdad begegnete. Vielleicht sollte ich sagen, daß ich in dieser Stadt zum ersten Mal darauf stieß; später jedoch sah ich es in anderen Palästen, Häusern und Tempeln in ganz Persien und so ziemlich überall im Morgenland. Meiner Meinung nach würde es allen Menschen, die Gärten lieben, zum Vorteil gereichen, wenn sie diese Besonderheit übernähmen; und welche Menschen lieben
Gärten nicht? Es geht darum, den Garten ins Haus hinein zu bringen, ohne freilich Unkraut jäten oder die Pflanzen jemals gießen zu müssen. In Persien qali geheißen, handelt es sich um eine Art Teppich oder Gobelin, der an die Wand gehängt oder aber auf den Boden gelegt wird -nur, daß ein qali ganz anders ist als das, was wir im Abendland kennen. Ein qali erstrahlt in den Farben eines Gartens mit einer Fülle bunter Blumen darin, und die Figuren darin haben die Gestalt aller möglichen Blumen, Rankgewächse, Gitter-und Blattwerk -eben von allem, was sich in einem Garten findet -und zwar all dies gestaltet in gefälligen Mustern und Anordnungen. (Ganz im Einklang jedoch mit dem Verbot des Quran, die Bilder vo n Lebewesen wiederzugeben, ist ein persischer qali dergestalt gearbeitet, daß man in den Blumen nie eine ganz bestimmte existierende Blume wiedererkennen kann.) Als ich einen solchen qali zum erstenmal erblickte, dachte ich, der Garten müsse auf die Unterlage aufgemalt oder aufgestickt sein. Bei näherer Untersuchung stellte ich jedoch fest, daß dies ganze kunstvolle Gewirr hineingewebt war. Ich war voll des Staunens darüber, daß irgendein Teppichweber etwas so Phantasievolles jemals nur mit Hilfe von Schuß und Faden hatte fertigen können; und dies aus nichts weiter als gefärbten Garnen. Es dauerte eine ganze Weile, ehe ich die wunderbare Technik kennenlernen sollte, welche diese Arbeiten möglich macht.
Doch ich bin meiner Chronik weit vorausgeeilt. Wir drei führten unsere fünf Pferde über die schwankende und leicht wogende Bootsbrücke, die den ganzen Dijlah-Fluß überspannte. Am Ufer angelangt, wo es von Menschen aller Hautfarben, Kleidung und Sprache wimmelte, sprachen wir den ersten an, den wir westliche Kleidung tragen sahen. Er war Genuese, doch sollte ich an dieser Stelle sagen, daß draußen im Osten alle Menschen aus dem Abendland freundschaftlich miteinander auskommen -selbst Genueser mit Venezianern, auch dann, wenn sie Rivalen im Handel sind, ja, selbs t dann, wenn ihre Heimatstädte gerade einen ihrer häufigen Seekriege miteinander führen. Der Kaufmann aus Genua gab uns liebenswürdig Auskunft darüber, wie der Name des augenblicklich regierenden Shah lautete -»Shahinshah Zaman Mirza« - und führte uns zu seinem Palast »im Karkh-Viertel, dem ausschließlich dem Herrscher vorbehaltenen Wohngebiet«.
Wir ritten hin, stellten fest, daß der Palast in einem torbewehrten Garten lag, und stellten uns der Torwache vor. Diese Wachen trugen Helme, die aus lauterem Gold zu bestehen schienen - doch das kann nicht stimmen, denn sonst wäre ihr Gewicht unerträglich gewesen; doch selbst wenn sie nur aus goldüberzogenem Holz oder Leder bestanden haben, müssen sie sehr kostbar gewesen sein. Sie waren aber nicht nur wertvoll, sondern auch interessant, denn sie waren dergestalt gearbeitet, daß sie dem Träger zu einer Fülle goldener Locken und einem üppigen Backenbart verhalfen. Eine der Wachen begab sich durchs Tor in den Garten und durch den Garten in den Palast. Als er zurückkam und uns winkte, übernahm eine andere Wache unsere Reittiere, und wir traten ein.
Wir wurden in ein reich mit farbenprächtigen qali behängtes und ausgelegtes Gemach geführt, wo der Shahinshah, hingestreckt auf einen Haufen datwan-Kissen von ebenso strahlenden Farben und Geweben, mehr lag als saß. Er selbst war farbenprächtig gekleidet: vom tulband bis zu den Pantoffeln war sein Gewand von durchgängig hellem Braun, der Farbe der Trauer um sein verlorenes Reich. Da es sich hier um einen muslimischen Hof handelte, waren wir nicht wenig erstaunt darüber, daß eine Frau neben ihm einen ähnlichen Haufen Kissen besetzt hielt und außerdem noch zwei weitere Frauen im Raum waren. Wir machten die angemessenen
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