Marco Polo der Besessene 1
gewähren. »Ich hatte gehofft, Ihr würdet ganz besonders gefällig sein...«
Immer noch wahrheitsgemäß sagte ich: »Das würde ich so und so sein. Nur gibt es noch ein paar andere Dinge, die man berücksichtigen sollte. Zunächst einmal geht es darum, daß wir eine gefährliche und im höchsten Maße unangenehme Wüstendurchquerung vor uns haben. Die Wüste ist nichts für Männer -von einem kleinen Jungen ganz zu schweigen. Wie allseits bekannt, treibt der Satansteufel in der Ödnis der Wüstenstriche ganz besonders sein Unwesen und ist dort besonders mächtig. In die Wüste gehen mit Vorliebe heiligmäßige Christen, bloß um ihre Glaubensstärke auf die Probe zu stellen - ich meine, über die Maßen fromme Christen wie der heilige Antonius. Und unheilige Sterbliche wagen sich nur unter großen Gefahren da hinein...«
»Das mag schon sein, aber sie gehen hinein«, sagte Aziz, dem Klang seiner Stimme nach offenbar völlig ungerührt von den Aussichten, die sich ihm boten. »Und da ich kein Christ bin, bin ich vielleicht auch weniger in Gefahr. Möglich sogar, daß ich für euch andere einen gewissen Schutz darstelle.«
»Wir haben noch einen anderen Nichtchristen, der mit uns zieht«, sagte ich säuerlich. »Und das ist etwas, worüber du auch nachdenken solltest. Unser Kameltreiber ist ein Tier, das gewohnheitsmäßig mit den niedrigsten Tieren verkehrt und sich mit ihnen paart. Nun, seine tierische Natur mit einem begehrenswerten und zugänglichen kleinen Jungen in Versuchung zu bringen...«
»Ah«, ließ Sitare sich vernehmen. »Das muß der Einwand sein,
den Euer Vater erhoben hat. Ich wußte, daß die Herrin sich
wegen irgend etwas Sorgen machte. Dann muß Aziz eben
versprechen, dem Tier aus dem Wege zu gehen, und Ihr, Mirza
Marco, müßt versprechen, über Aziz zu wachen.«
»Ich werde nie von Eurer Seite weichen, Mirza Marco«,
beteuerte der Junge, »weder bei Tag noch bei Nacht.«
»Aziz mag Euren Vorstellungen entsprechend nicht keusch
sein«, fuhr seine Schwester fort, »aber er treibt es auch nicht
mit jedem. Solange er bei Euch ist, wird er nur Euch gehören
und weder seinen zab noch seine Hinterbacken, ja, nicht einmal
seine Augen zu irgendeinem anderen Mann erheben.«
»Ich werde nur Euch gehören, Mirza Marco«, bestätigte er mit
einer vielleicht bezaubernden Unschuld, nur, daß er die Kleider
in seiner Hand beiseite hielt, genauso wie Sitare es getan,
damit ich mich an ihm satt sähe.
»Nein, nein und nochmals nein«, erklärte ich einigermaßen
erregt. »Aziz, du mußt versprechen, keinen einzigen von uns in
Versuchung zu bringen. Unser Sklave ist nur ein Tier, aber wir
anderen drei sind Christenmenschen. Du wirst völlig enthaltsam
bleiben müssen, von hier bis Mashhad.«
»Wenn Ihr unbedingt wollt«, sagte er, schien jedoch ein wenig
enttäuscht. »Dann schwöre ich es. Beim Barte des Propheten
(Segen und Frieden seien mit Ihm).«
Skeptisch fragte ich Sitare: »Gilt ein solcher Schwur von einem
Kind, das noch keinen Bart hat?«
»Das tut er sehr wohl«, sagte sie und sah mich von der Seite
an. »Eure trostlose Wüstendurchquerung wird durch nichts
gestört werden. Ihr Christen müßt irgendein krankhaftes
Vergnügen daran finden, Euch jedes Vergnügen zu versagen.
Aber sei's drum! Aziz, du kannst dich wieder anziehen.«
»Und du auch, Sitare«, sagte ich, und wenn Aziz enttäuscht
ausgesehen hatte -sie sah aus wie vom Donner gerührt. »Ich
versichere dir, liebes Mädchen, daß ich das höchst ungern,
aber mit den besten Vorsätzen sage.«
»Das verstehe ich nicht. Wenn Ihr die Verantwortung für
meinen Bruder übernehmt, wiegt meine Jungfräulichkeit nichts
dagegen, daß er vorankommt. Deshalb schenke ich sie Euch,
und zwar aus dankbarem Herzen.«
»Und ich danke dafür, Sitare. Und zwar aus einem Grunde,
dessen du dir gewiß bewußt bist. Denn -wenn dein Bruder mit
fortzieht - was soll dann aus dir werden?«
»Was spielt das für eine Rolle? Ich bin ja nur eine Frau.«
»Eine wirklich wunderschöne Frau! Folglich kannst du deinen
Körper, sobald Aziz versorgt ist, für dein eigenes Fortkommen
einsetzen. Für eine gute Ehe oder ein vorteilhaftes Konkubinat
oder was sonst für dich erreichbar ist. Nur weiß ich, daß Frauen
soviel nur erreichen können, wenn ihre Jungfräulichkeit
unangetastet ist. Und aus diesem Grunde will ich sie dir
lassen.«
Beide starrten sie mich an, und der Junge
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