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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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und
    wenig wählerisch.« Ich selbst hatte und habe mich auch seither nie ähnlich irgendwo angesteckt, was ich wohl mehr meinem Glück als meiner Tugendhaftigkeit oder der Tatsache zuzuschreiben habe, daß ich immer sehr wählerisch gewesen wäre. Doch gleichviel, ich hätte Nasenloch mehr kameradchaftliches Mitgefühl zeigen und weniger über sein Unglück lachen können, wäre ich nicht dankbar dafür gewesen, daß sein zab ihm andere Sorgen machte und er nicht versuchen konnte, ihn in meinen jungen Schützling hineinzustecken. Das Leiden des Sklaven legte sich nach und nach und ging schließlich ganz fort, ohne ihn in seinen Neigungen zu beeinträchtigen, doch hatten wir inzwischen andere Dinge erlebt, die bewirkten, daß Aziz seiner Lüsternheit entzogen wurde.
    Ein Zelt oder ein zeltähnlicher Schutz ist im Dasht-e-Kavir unbedingt nötig, denn dort kann man sich nicht einfach in seine Decken einrollen und zum Schlafen niederlegen; er wäre nämlich beim Erwachen längst unter einer Sandschicht begraben. Den größten Teil dieser Wüste kann man dem immensen Tablett eines fardarbab oder Wahrsagers vergleichen. Der Sand, der ihn bedeckt, ist so unendlich fein und glatt, daß noch das unscheinbarste Insekt -ein Tausendfüßler, ein Grashüpfer oder ein Skorpion -seine Spur darauf hinterläßt, die schon von weitem zu erkennen ist. Jemand, den die Eintönigkeit eines Wüstenritts zu Tode gelangweilt hat, könnte Ablenkung und Abwechslung darin finden, der Meanderfährte einer einzelnen Ameise zu folgen.
    Tagsüber gab es selten Augenblicke, da kein Wind wehte, den Sand hochwirbelte, in die Höhe riß und weit forttrug. Da die Winde im Dasht-e-Kavir immer aus derselben Richtung -dem Südwesten -kommen, errät man leicht, aus welcher Richtung ein Fremder kommt -selbst dann, wenn man ihn in seinem Lager und völlig bewegungslos auffindet; man braucht nur hinzusehen, welche Seite seines Reittiers am meisten von einer Sandschicht bedeckt ist. Nachts legt sich der Wind in der Wüste, was zur Folge hat, daß die schwereren Sandkörner vom Himmel herunterrieseln. Die feineren Partikel jedoch halten sich in der Luft wie Staub, und zwar in einer solchen Verdichtung, daß man gleichsam in einem trockenen Nebel einhergeht. Vor lauter Staub sieht man keinen einzigen Stern am Himmel, und manchmal verschwindet selbst der Mond dem Blick. Staubnebel und Dunkelheit zusammen bewirken, daß man nur ein paar Armlängen weit sehen kann. Nasenloch erzählte uns, es gebe Karauna genannte Wesen, die sich diesen undurchdringlichen Staubnebel zunutze machten -nach der persischen Legende schufen die Karauna ihn sogar durch irgendeine Zauberei -, um ihre schlimmen Taten zu verüben. Weit häufiger ist die Gefahr, daß der Staub im Laufe der Nacht unmerklich zu Boden sinkt, so daß ein Reisender, der nicht unter einem Zelt Schutz gesucht hat, leise und ohne, daß er es merkt, davon zugedeckt wird und im Schlaf darunter ersticken kann.
    Wir hatten immer noch den größeren Teil Persiens vor uns, aber hier in diesem gottverlassenen Landstrich -dem vielleicht menschenleersten Teil der ganzen Erde -begegneten wir keinem einzigen Perser oder irgendeinem anderen Lebewesen, noch sahen wir im Sand die Spuren von irgendwelchen Wesen, die größer gewesen wären als Insekten. In anderen Regionen Persiens, die ähnlich menschenleer und von Menschenhand unberührt sind, hätten wir Reisenden vielleicht auf der Hut vor beutegierigen Löwen oder aasfressenden shaqäl-Rudeln oder auch Herden der großen, flügeltragenden, aber flugunfähigen shu-turmurq-Kamelvögeln sein müssen, die, wie man uns gesagt hatte, einen Menschen mit einem Auskeilen ihrer mächtigen Beine töten konnten. Doch derlei Gefahren brauchten wir in dieser Wüste nicht zu befürchten, denn es gibt darin keine solchen Lebewesen. Wir sahen zwar gelegentlich einen Geier oder Aasgeier, doch die hielten sich hoch auf den Windströmungen im Himmel und verweilten keinen Augenblick. Selbst eßbare Pflanzen schien es in dies er Wüste nicht zu geben. Das einzig Grüne, das ich darin jemals wachsen sah, war ein niedriger Busch mit dicken und fleischig aussehenden Blättern.
    »Eine Euphorbie«, sagte Nasenloch, sei das. »Und auch die wächst hier nur, weil Allah sie hierhergestellt hat, damit sie dem Reisenden hilft. In der heißen Jahreszeit reifen die Samenkapseln der Euphorbie, platzen und verstreuen den darin enthaltenen Samen. Und zwar fangen sie genau dann an zu platzen, wenn die Wüstenluft

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