Marco Polo der Besessene 1
wieder hier
hindurchkommen...«
Man hatte uns gesagt, zum Durchqueren des Dasht-e-Kavir sei
dies die beste Jahreszeit. Wie furchtbar muß es sein, sie zur
schlechtesten bewältigen zu müssen. Bei uns war es
Spätherbst, da die Sonne nicht höllisch heiß war, doch selbst
ohne Zwischenfälle wäre es alles andere als eine angenehme Reise gewesen. Bis jetzt hatte ich immer angenommen, Seereisen wären die am wenigsten abwechslungsreiche, langweiligste, endloseste und eintönigste Art von Reise, die man sich vorstellen kann -zumindest, solange sie nicht durch einen Sturm unerträglich wurde. Aber eine Wüstendurchquerung ist all dies, und außerdem quält einen Durst, Jucken, Kratzen, werden die Schleimhäute gereizt, scheuert man sich das Gesäß auf und wird die Haut wie Pergament -und so könnte ich endlos fortfahren. Es ist wie eine Flut von Flüchen, die sich endlos durch den grämlichverdrossenen Geist des Wüstenreis enden ergießt, da er endlos von einem gesichtslosen Horizont über eine gesichtslose Gegend zum nächsten gesichtslosen Horizont zieht, den er nie zu erreichen scheint.
Als wir Kashan verließen, waren wir wieder für entbehrungsreiches Reisen gekleidet. Das heißt, wir trugen nicht mehr den fein um den Kopf geschlungenen persischen tulbanct und hatten auch nicht mehr die hinreißend bestickten Obergewänder an. Wir trugen vielmehr wieder die arabischen kaffiyah-Kopftücher und die locker hängenden aba-Umhänge, jene praktischen Kleidungsstücke, die nie an der Haut festkleben, sondern gestatten, daß Körperhitze und Schweiß sich verflüchtigen, und die nie Falten werfen, in denen sich der Treibsand festsetzen kann. Unsere Kamele waren schwer beladen mit prall mit Wasser gefüllten Lederschläuchen aus Kashan sowie Säcken mit gedörrtem Hammelfleisch, Trockenfrüchten und dem bröseligen arabischen Brot. (Um diese Vorräte aufzufüllen, mußten wir abwarten, bis der bazär nach dem ramazam wieder geöffnet war.) Außerdem hatten wir in Kashan einige neue Ausrüstungsgegenstände erstanden, die wir von nun an mitschleppen mußten: glatte runde Stecken und Längen von leichtem Tuch, deren Enden zum Saum umgenäht waren, so daß man die Stecken hindurchführen konnte. Indem wir das taten, konnten wir die Tuchlängen rasch in eine Art Zelt verwandeln, von denen ein jedes gerade groß genug war, einen Mann bequem oder -notfalls -zwei Mann mehr schlecht als
recht zu beherbergen. Noch ehe wir losritten, warnte ich Aziz, sich nie von unserem Sklaven verleiten zu lassen, in sein Zelt hineinzukommen oder sich überhaupt außer Sichtweite von uns anderen zu begeben, und mir im übrigen von jedem Annäherungsversuch des Kameltreibers unverzüglich zu berichten. Denn Nasenloch hatte, als er den Jungen zum ers ten Mal bei uns sah, die Schweinsäuglein weit aufgerissen, so daß sie fast menschlich waren, und das einzelne Nasenloch so weit gebläht, als witterte er Beute. Auch war Aziz an jenem ersten Tag in unserer Gesellschaft für einen kurzen Augenblick nackt gewesen -und Nasenloch hatte wieder Stielaugen gemacht -, als ich dem Jungen nämlich geholten hatte, jenes persische Gewand auszuziehen, das seine Schwester ihm gegeben hatte, und die arabischen kaffiyah und aba anzulegen. Ich verwarnte Nasenloch daher streng und spielte vielsagend mit meinem Dolch dabei, und er versprach scheinheilig, zu gehorchen und sich gut zu benehmen.
Ich hätte Nasenlochs Beteuerungen wohl kaum geglaubt, doch wie es sich herausstellte, belästigte er den kleinen Jungen nie, ja, er versuchte es nicht einmal. Wir waren kaum ein paar Tage in der Wüste unterwegs, da fing Nasenloch an, sichtbarlich unter irgendeiner schmerzhaften Erkrankung seines Gemächts zu leiden. Wenn der Sklave, wie ich argwöhnte, absichtlich eines der Kamele zum Lahmen gebracht hatte, damit wir in Kashan Zwischenstation machten, nahm jetzt eines der anderen Kamele Rache an ihm. Jedesmal, wenn Nasenlochs Reittier einen falschen Schritt machte und ihn tüchtig durchrüttelte, schrie er laut auf. Bald hatte er seinen Sattel mit allem ausgepolstert, was er an Weichem unter unseren Sachen finden konnte. Doch jedesmal, wenn er sich vom Lagerfeuer entfernte, um Wasser zu lassen, konnten wir ihn stöhnen und von einem Fuß auf den anderen treten und unflätig fluchen hören.
»Einer von den Kashaner Knaben muß ihm das scolamento angehängt haben«, erklärte Onkel Mafio höhnisch lachend.
»Recht geschieht ihm das -warum ist er so verdorben
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