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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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habt, indem Ihr mich mitnahmt. Ich werde vorangehen, und je nachdem, wie stark der Boden unter mir zittert, kann ich erkennen, ob er trägt oder nicht. Ich werde mich stets an den festesten Boden halten. Ihr braucht mir nur zu folgen.«
    »Du wirst dir die Füße aufschneiden!« wandte ich ein. »Nein, Mirza Marco, denn ich wiege nicht viel. Auch habe ich mir die Freiheit genommen, diese Teller aus den Sachen herauszunehmen.« Damit hielt er zwei der goldenen Teller in
    die Höhe, die Shah Zaman mitschickte. »Die werde ich mir unter die Füße binden, das gibt zusätzlichen Schutz.« »Gefährlich ist es trotzdem«, sagte mein Onkel. »Es ist mutig
    von dir, dich freiwillig dafür zu melden, Bursche, aber wir haben geschworen, daß dir nichts zustößt. Es ist besser, einer von uns...«
    »Nein, Mirza Mafio«, erklärte Aziz noch immer entschlossen. »Sollte ich zufällig doch einbrechen, wäre es für Euch leichter, mich herauszuziehen als jemand, der schwerer wäre als ich.«
    »Er hat recht, Herr«, sagte Nasenloch. »Das Kind ist sehr vernünftig. Und besitzt, wie Ihr gesagt habt, außerdem Mut und Phantasie.«
    So ließen wir Aziz vor uns hergehen, und wir folgten ihm in sicherer Entfernung. Es ging nur langsam weiter, zumal er selbst nur schlurfend vorankam, doch auf diese Weise war es für die Kamele weniger schmerzhaft. So brachten wir dies schwankende Land unbeschadet hinter uns und gelangten noch vor Einbruch der Nacht in ein Gebiet, in dem es vertrauenswürdig festen Sandboden gab, auf dem wir unser Lager aufschlagen konnten.
    Nur einmal schätzte Aziz an diesem Tag die Salzkruste falsch ein. Mit einem lauten Krachen brach er hindurch wie durch eine Glasscheibe und versackte bis zur Hüfte in dem zähflüssigen Brei darunter. Er stieß, als das geschah, keinen Schreckensruf aus, noch ließ er das geringste Wimmern vernehmen in der Zeit, die es brauchte, bis Onkel Mafio abgesessen war und aus seinem Sattelgurt eine Schlinge geschlungen und diese dem Jungen hingeworfen hatte, um ihn sanft und sicher auf festen Boden zu befördern. Dabei war Aziz sich durchaus darüber im klaren, daß er eine Zeitlang gefährlich über einem bodenlosen Abgrund hing; denn sein Gesicht war kalkweiß und seine blauen Augen sehr groß, während wir in einiger Entfernung herumstanden und ihm gut zuredeten. Onkel Mafio schloß den Knaben in die Arme und redete ihm gut zu, während mein Vater und ich ihm das rasch trocknende Salz aus den Kleidern klopften. Als wir damit fertig waren, faßte der Junge wieder Mut und ließ es sich nicht nehmen, zur Bewunderung von uns allen weiter voranzugehen.
    Jedesmal, wenn wir in den Tagen, die nun folgten, wieder auf eine Salzpfanne stießen, versuchten wir erst gar nicht, Mutmaßungen darüber anzustellen oder darüber abzustimmen, ob wir uns gleich hinaufwagen sollten oder nicht oder hier am Rande das Lager aufschlagen, um am nächsten Morgen früh weiterzuziehen. Stets befürchteten wir, wir könnten uns bei Einbruch der Nacht immer noch mitten auf dem schwankenden Land befinden, was bedeutete, daß wir eines von zwei Dingen tun konnten, die beide gleichermaßen abschreckend waren: versuchen weiterzugehen und der Dunkelheit der Nacht und dem damit verbundenen Staubnebel zu trotzen, was noch viel nervenzermürbender sein konnte als eine Überquerung tagsüber; oder draußen auf der Salzpfanne zu lagern und nicht einmal ein Feuer entzünden zu können. Wir fürchteten nämlich, ein Feuer könnte die Salzkruste auftauen und wir mit Mann und Maus im Salzbrei versinken. Selbstverständlich lag es nur an dem Glück, das wir hatten -oder an Allahs Segen, wie unsere beiden Muslime es ausgedrückt hätten -, jedenfalls nicht an irgendwelchen Berechnungen oder Mutmaßungen; zumindest vermuteten wir immer richtig und hatten die Salzfläche jedesmal bei Anbruch der Nacht hinter uns.
    Infolgedessen brauchten wir nie ein feuerloses Lager auf dem gefürchteten schwankenden Land aufzuschlagen, sondern irgendwo in der Wüste, selbst wenn das Lagern auf dem Sand, von dem wir meinten, daß er sich nicht unter uns auflösen würde, nicht gerade ein Vergnügen war. Sieht man sich Sand einmal genauer an, stellt sich heraus, daß er nichts weiter ist als eine unendliche Menge winziger Felssteine. Felsgestein aber hält keine Wärme und Sand auch nicht. Die Tage in der Wüste waren ganz angenehm, ja sogar warm, aber sobald die Sonne unterging, setzte die Kälte der Nacht ein und fühlte sich dei Sand unter uns

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