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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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genauso heiß wird wie das menschliche Blut. Und diese Samenkapseln platzen immer häufiger, je heißer es wird. Infolgedessen kann ein Wüstenwanderer allein aufgrund der Tatsache, wie laut die Samenkapseln der Euphorbien platzen, erkennen, wann die Luft so gefährlich heiß wird, daß er innehalten und Schatten aufsuchen muß, weil er sonst stirbt.«
    Dieser Sklave war trotz seines schmutzigen Äußeren, seiner krankhaften sexuellen Überreizung und seines verachtenswerten Charakters ein erfahrener Reisender, der uns auf viel Unbekanntes und Interessantes aufmerksam machte. So sprang er zum Beispiel an dem allerersten Abend, den wir in dieser Wüstenei verbrachten, von seinem Kamel herunter, steckte seinen Stachelstock in den Sand und zeigte in die Richtung, in die wir uns bewegten.
    »Könnte sein, daß uns das morgen früh von Nutzen ist«, erklärte er. »Wir haben beschlossen, immer auf jenen Punkt zuzugehen, wo die Sonne aufgeht. Wenn jedoch um diese Morgenstunde der Wind bläst, haben wir sonst vielleicht keine Möglichkeit, diese Richtung zu erkennen.«
    Der tückis che Sand des Dasht-e-Kavir stellt nicht die einzige Bedrohung für den Menschen dar. Der Name bedeutet, wie ich bereits gesagt habe, Große Salzwüste, und das aus gutem Grund. Weite Strecken dieser Wüste bestehen nämlich durchaus nicht aus Sand, sondern aus riesigen Flächen eines salzigen Breis, der nicht feucht genug ist, daß man ihn Schlamm oder Moorboden nennen könnte; außerdem haben Wind und Sonne diesen Brei an der Oberfläche derartig austrocknen lassen, daß sie aus einer tragfähigen Salzschicht besteht. Häufig müssen Reisende über diese glitzernden, knirschenden, schwankenden und blendend weißen Salzkrusten hinüber, und sie tun gut daran, dabei auf der Hut
    zu sein. Die Salzkristalle sind gefährlicher als Sand, man
    scheuert sich leicht wund auf ihnen, und selbst die
    hornhautüberzogenen Kamelhufe sind nicht immer gegen sie
    gefeit. Laufen sie sich wund, muß der Reiter absteigen und
    zerschleißt erst seine Stiefel, und wenn die durchgelaufen sind,
    seine Füße. Außerdem ist die Salzkruste von unterschiedlicher
    Dicke, so daß streckenweise das entstand, was Nasenloch
    »das schwankende Land« nannte. Manchmal kommt es vor,
    daß Kamel oder Mensch durch diese Kruste durchbrechen.
    Geschieht das, versinkt Mensch oder Tier in dem zähflüssigen
    Brei darunter und kann sich ohne Hilfe unmöglich wieder
    daraus befreien, ja, er schafft es nicht einmal, auf demselben
    Fleck auszuharren, ohne ständig weiter einzusinken. Langsam,
    aber unerbittlich zieht der Brei alles in die Tiefe, was hineinfällt,
    saugt das betreffende unglückliche Wesen in die Tiefe, und die
    Kruste darüber schließt sich wieder. Ist kein Retter in der Nähe
    und steht dieser nicht zumindest auf festerem Grund, ist das
    Schicksal des unglücklichen Gefallenen besiegelt. Nach
    Nasenloch sind auf diese Weise ganze karwans und Tierherden
    spurlos verschwunden.
     
    Als wir daher das erste Mal auf eine solche Salzfläche stießen,
    hielten wir inne und betrachteten sie voller Hochachtung.
    Zunächst sah sie nicht anders aus als Rauhreif, der zu völlig
    unpassender Jahreszeit den Boden bedeckte. Die weiße
    Fläche dehnte sich schimmernd vor uns bis zum Horizont und
    auch links und rechts vor uns, so weit das Auge reichte.
     
    »Warum nicht versuchen, drum herumzugehen«, sagte mein
     
    Vater.
    »Solche Einzelheiten sind auf dem Kitab nicht verzeichnet«,
    sagte mein Onkel und kratzte sich nachdenklich am Ellbogen.
    »Wir wissen einfach nicht, wie weit sie sich erstreckt; und woher
    sollen wir erraten, ob der Umweg in südlicher oder nördlicher
    Richtung kürzer wäre.«
     
    »Und wenn wir versuchten, eine jede von diesen Salzpfannen
    zu umgehen«, sagte Nasenloch, »bleiben wir für alle Ewigkeit in
    dieser Wüste.«
     
    Da ich selbst keine Ahnung von Wüstenreisen hatte, schämte ich mich auch nicht, die Entscheidung den Erfahreneren zu überlassen. Da saßen wir vier auf unseren Kamelen und ließen den Blick über die schimmernde weiße Fläche schweifen. Doch der Knabe Aziz, der zuletzt kam, trieb sein Lastkamel mit dem Leitstecken voran und ließ es niederknien. Dann stieg er ab. Wir anderen merkten das erst, als er zwischen uns hindurchging und die Salzkruste betrat. Dort drehte er sich um, blickte zu uns herauf, setzte ein bezauberndes Lächeln auf und sagte mit seiner Zwitscherstimme:
    »Jetzt kann ich Euch die Güte vergelten, die Ihr bewiesen

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