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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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des Jungen und hielt es einen Augenblick fest; dann blickte er zu uns auf und schüttelte düster den Kopf.
    »Das Kind ist tot! Aber woran ist es gestorben? Hast du nicht gesagt, ihm sei kein Leids geschehen? Daß sie ihn im Reiten nur zwischen sich hin und her reichten?«
    Hilflos hob ich die Hände empor. »Wir haben eine Weile miteinander geredet. Dann kippte er nach vorn -einfach so. Wie eine Puppe, aus der alles Sägemehl herausgelaufen ist.«
    Mein Onkel wandte sich ab und schluchzte und hustete. Sanft nahm mein Vater den Jungen bei den Schultern, richtete ihn auf und legte den haltlos hängenden Kopf gegen den Sattel. Mit der einen Hand hielt er ihn dann fest, während er mit der anderen die blutverklebten Decken fortnahm. Dann machte mein Vater ein Geräusch, als müsse er sich übergeben, wiederholte, was der Junge uns gesagt hatte, und murmelte: »Die Karauna hatten Hunger« -trat von Ekel gepackt einen Schritt zurück und ließ den Oberkörper wieder nach vorn fallen -allerdings nicht, ehe nicht auch ich gesehen hatte. Was Aziz widerfahren war ich konnte es mit nichts anderem vergleichen als mit einer alten griechischen Sage, die man mir einst in der Schule erzählt hatte und die von einem tapferen Spartanerjungen und einem gefräßigen Jungfuchs handelte, den dieser unter seinem Gewand verborgen hatte.
    Wir ließen die toten Karauna liegen, wo sie gefallen waren mochten sie den Aasgeiern zum Fraß dienen. Den bereits angenagten, ausgeweideten und zum Teil verzehrten kleinen Leichnam von Aziz hingegen führten wir auf dem Weg zurück zur Oase mit. Wir wollten ihn nicht auf dem Sand liegen lassen, ja, ihn auch nicht darin begraben, denn nichts läßt sich in der Wüste so tief vergraben, daß der Wind es nicht freilegt und so gleichmütig wie den Dung der Kamele wieder unter Sand begräbt.
    Auf dem Weg von der Oase hierher waren wir am weißen Rand einer kleineren Salzpfanne entlanggekommen, an dem wir jetzt bei unserer Rückkehr haltmachten. Wir trugen Aziz in meine aba gehüllt, die als Leichentuch diente, hinaus auf das Schwankende Land und fanden eine Stelle, wo wir die glitzernde Kruste durchbrechen konnten. Dort legten wir Aziz auf den darunter befindlichen morastigen Salzbrei und nahmen mit ein paar Gebeten von dem kleinen Bündel Abschied, das langsam versank und unseren Blicken entschwand.
    »Die Salzkruste über ihm wird sich neu bilden«, sann mein Vater. »Darunter wird er ungestört ruhen. Nicht einmal verwesen wird er, denn das Salz wird seinen Leib durchdringen und ihn konservieren.«
    Sich wie abwesend am Ellbogen kratzend, sagte mein Onkel resigniert: »Es könnte sogar sein, daß dieses Land genauso wie andere Länder, die ich erlebt habe, sich verwirft, auseinanderbricht und seine Oberfläche neu gestaltet. Vielleicht findet ihn irgendein künftiger Reisender in späteren Jahrhunderten, betrachtet sein süßes Gesicht und fragt sich, wie es gekommen sein mag, daß ein Engel vom Himmel stürzte, um hier begraben zu werden.«
    Eine schönere Abschiedsrede konnte man sich kaum denken, und so verließen wir Aziz, saßen auf und ritten weiter. Bei unserem Eintreffen in der Oase war Nasenloch ganz Besorgnis und brach dann in Wehklagen aus, als er erkannte, daß nur wir drei es waren. In möglichst knappen Worten berichteten wir, wie das kleinste Mitglied unserer Gruppe aus unserer Mitte herausgerissen worden war. Ein trauervolles Gesicht aufsetzend, murmelte er ein paar muslimische Gebete und sprach dann eine typisch fatalistische muslimische Beileidsformel:
    »Möge Eure eigene Lebensspanne um die Tage verlängert werden, die der Knabe verloren hat, meine Herren. Inshallah!«. Es war inzwischen Mittag geworden, wir waren ohnehin müde, und es kam mir vor, als wollte mir der Schädel vor Schmerz platzen. Deshalb konnten wir es nicht über uns bringen, unsere
    Reise sofort fortzusetzen, und so richteten wir uns darauf ein, noch eine Nacht in der Oase zu verbringen, obwohl dies kein glücklicher Ort für uns war. Die drei Mongolen waren schon vor uns dort eingetroffen, und Nasenloch fuhr fort zu tun, was er getan hatte, seit wir wieder da waren: Den Männern helfen, ihre Wunden zu reinigen, sie zu salben und zu verbinden.
    Dieser Wunden waren viele, aber es waren keine ernsthaften dabei. Der Mann, von dem wir gemeint hatten, daß es ihn am schlimmsten getroffen hatte, hatte nur das Bewußtsein verloren, als er im letzten Handgemenge mit den Karauna von einem Pferd getreten worden war; er hatte

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