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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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sich inzwischen merklich erholt. Trotzdem litten alle drei Männer an einer ganzen Reihe von Schnittwunden, hatten viel Blut verloren und mußten ziemlich geschwächt sein; wir hätten angenommen, daß sie noch ein paar Tage in der Oase bleiben würden, um sich ganz zu erholen. Doch nein, sagten sie, sie seien Mongolen, unverwüstliche Mongolen, die nichts aufhielt; sie würden weiterreiten.
    Mein Vater erkundigte sich, wohin sie wollten. Sie antworteten, ihnen sei kein bestimmtes Ziel genannt worden, sie hätten nur den Auftrag, hinzureiten und zu versuchen, die Karauna im Dasht-e-Kavir zu jagen und zu vernichten, und diesen Auftrag gedächten sie auszuführen. Daraufhin zeigte mein Vater ihnen unseren von dem Khakhan Ku-bilai unterzeichneten Passierschein. Gewiß, keiner von diesen Männern konnte lesen, doch erkannten sie ohne weiteres das ausgeprägte Siegel des Khans aller Khane und waren höchlichst verwundert, daß wir ein solches mitführten -genauso, wie es sie zuvor beeindruckt hatte, meinen Vater und Onkel in ihrer Sprache mit sich reden zu hören. Jetzt erkundigten sie sich, ob wir ihnen im Namen des Khan irgendeinen Befehl zu erteilen hätten. Mein Vater schlug vor, da wir reiche Geschenke für ihre Oberherren mitführten, könnten die Männer helfen, diese sicher bei ihm abzuliefern, indem sie als unsere Eskorte bis Mashhad mitritten, wozu sie offensichtlich gern bereit waren.
    So brachen wir am nächsten Morgen zu siebt in nordöstlicher Richtung auf. Da es unter der Würde der Mongolen war, sich mit so etwas Niedrigstehendem wie einem Kameltreiber zu unterhalten, und da Onkel Mafio nicht in der Stimmung schien, mit irgend jemand zu reden, und da mir immer noch der Kopf brummte, wenn ich ihn durch Reden bewegte, sprachen nur unsere drei Begleiter und mein Vater, während ich mich damit begnügte, nahebei zu reiten und zuzuhören und auf diese Weise anzufangen, noch eine neue Sprache zu erlernen.
    Das erste, was ich erfuhr, war, daß die Bezeichnung Mongole nichts mit einer Rasse oder einem Volk zu tun hat - sie leitet sich vielmehr von dem Wort mong her, das soviel heißt wie ›tapfer‹ -und wenn die drei uns begleitenden Mongolen für mein ungeübtes Auge auch ähnlich aussahen, waren sie in Wirklichkeit doch so verschieden voneinander wie ein Venezianer, ein Genuese und ein Pisaner. Einer war vom Khalkas-Stamm, einer von dem der Merkit und einer von dem der Buriat -Stämme, die, wie ich erfuhr, ursprünglich in ganz verschiedenen Gegenden jener Länder zu Hause waren, die der mächtige Chinghiz (der selbst ein Khalkas war) vor langer Zeit als erster einte und damit begann, das mongolische Khanat aufzubauen. Auch gehörte einer der Männer dem buddhistischen Glauben an, ein anderer war Taoist -Religionen, von denen ich damals keine Ahnung hatte -, und beim dritten handelte es sich ausgerechnet um einen nestorianischen Christen. Gleichzeitig erfuhr ich jedoch, daß ein Mongole, gleichgültig, welchem Stamm, welcher Religion oder welchem Kriegerstand er angehörte, nie als Khalkas oder Christ oder gar als Bogenschütze oder Waffenschmied oder ähnliches bezeichnet wird. Er nennt sich selbst immer nur Mongole, und es darf von ihm auch nur als Mongole gesprochen werden, denn daß er Mongole ist, ist wichtiger als alles andere, was er auch sein mag, und die Bezeichnung Mongole hat Vorrang vor allem anderen.
    Doch lange, bevor ich imstande war, mich auch nur ansatzweise mit unseren drei Begleitern zu unterhalten, hatte ich aus ihrem Benehmen einige der wunderlichen Sitten und Gepflogenheiten der Mongolen erkannt -oder, wie ich vielleicht besser sagen sollte, etwas von ihrem barbarischen Aberglauben. Solange wir noch in der Oase weilten, hatte Nasenloch ihnen vorgeschlagen, sie könnten doch das Blut, den Schweiß und den alten Schmutz an ihren Kleidern waschen, um sich dann am nächsten Morgen frisch und sauber auf die Reise machen zu können. Das lehnten die Männer jedoch ab und erklärten, es sei unklug, irgend etwas, was man am Leibe trage, zu waschen, solange man fern vom Heimatlager weile, denn das könne ein Gewitter hervorrufen. Wie das geschehen sollte, vermochten sie nicht zu sagen und wollten sie auch nicht vorführen. Nun würde jeder andere vernünftige Mensch mitten in einer wasserlosen und sonnenversengten Wüste kaum Einwände gegen ein regenbringendes Gewitter erheben, gleichgültig, auf wie mysteriöse Weise es hervorgerufen sein mag. Aber die Mongolen, die sonst nichts auf der Welt

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