Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
mein Vater und trieb sein
    Kamel zu noch größerer Eile an. Wir hielten nicht an, um mit den Mongolen zu reden, sondern ritten weiter, bis wir in der Ferne verschiedene regungslos durcheinander liegende Gestalten im Sand erblickten. Es handelte sich um die sieben Karauna und ihre Pferde, alle tot, von Säbelhieben und Pfeilen getroffen. Einige der Männer lagen ein Stück entfernt von ihren schwertführenden Händen. Doch wir achteten ihrer nicht. Aziz saß auf dem Sand inmitten einer großen Blutlache, die von einem der gestürzten Pferde stammte. Seinen nackten Leib hüllte er in eine Decke, die er aus einem der Sattelkörbe herausgezogen haben mußte; die Decke starrte von Blut. Unsere Kamele waren noch nicht
    niedergekniet, da sprangen wir bereits zu Boden und liefen zu
    ihm hin. Mit tränenüberströmtem Gesicht fuhr Onkel Mafio dem
    Jungen durch das Haar, mein Vater klopfte ihm auf die
    Schulter, und wir alle konnten uns nicht fassen vor
    Verwunderung und Erleichterung.
     
    »Es ist alles in Ordnung mit dir!«
    »Gelobt sei der gütige San Zudo vom Unmöglichen!«
    »Was ist geschehen, lieber Aziz?'«
    Die Zwitscherstimme womöglich noch leiser als sonst, sagte er:
     
    »Sie haben mich unterwegs vom einen zum anderen
    weitergereicht, damit jeder an die Reihe käme und sie nicht
    verlangsamen mußten.«
     
    »Und du bist unversehrt?«
     
    »Mich friert«, sagte Aziz teilnahmslos, und in der Tat, er zitterte
    heftig unter der fadenscheinigen alten Decke.
    Onkel Mafio jedoch ließ nicht ab. »Und hier -haben sie sich
     
    nicht an dir vergangen? Hier?« Er legte die Hand auf die Decke
     
    - zwischen den Schenkeln des Jungen.
    »Nein, das haben sie nicht getan. Dazu war keine Zeit mehr.
    Und außerdem, meine ich, waren sie zu hungrig. Und dann
     
    haben die Mongolen uns eingeholt.« Er verzog das blasse
    Gesichtchen, als wollte er weinen. »Mir ist so kalt.«
    »Ja, mein Junge«, sagte mein Vater. »Es wird schon alles
     
    wieder gut werden. Marco, du bleibst bei ihm und tröstest ihn.
     
    Mafio, hilf mir Kamelmist suchen und ein Feuer machen.«
    Ich nahm meine aba ab und breitete sie über den Knaben,
    damit er es wärmer habe; daß das Gewebe sich mit Blut
    vollsaugte, kümmerte mich nicht. Doch er zog sich die aba nicht
    um die Schultern. Er blieb einfach sitzen, wo er war, gegen den
    Sattel gelehnt, die kleinen Beine von sich gestreckt und die
    Hände schlaff daneben. In der Hoffnung, ihn aufzumuntern,
    sagte ich:
     
    »Ach, Aziz, die ganze Zeit über habe ich mir den Kopf über das merkwürdige Tier zerbrochen, daß du mich raten ließest.«
    Ein flüchtiges Lächeln malte sich auf seinen Lippen. »Ich habe
    Euch mit dem Rätsel verwirrt, nicht wahr, Marco?«
     
    »Ja, das hast du. Wie geht es doch noch?«
    »Ein Wüstentier... das in sich... das Wesen von sieben
    verschiedenen Tieren... vereinigt.« Seine Stimme erlosch
    gleichsam. »Könnt Ihr es immer noch nicht erraten?«
     
    »Nein«, sagte ich, runzelte wie zuvor die Stirn und tat so, als
    tauchte ich tief in mein Denken hinab. »Nein, ich gestehe, ich
    kann es nicht.«
     
    »Es hat den Kopf eines Pferdes...«, sagte er langsam, als habe
    er Schwierigkeiten, sich zu erinnern oder überhaupt zu
    sprechen. »Und den Hals eines Stiers... die Flügel des Vogels
    Rock... Leib eines Skorpions... Füße eines Kamels... ein
    Gehörn wie eine aazel... und... und das... Hinterteil einer
    Schlange...«
     
    Die ungewohnt schleppende Sprechweise beunruhigte mich,
    doch konnte ich keinen Grund dafür erkennen. Seine Stimme
    erstarb... die Lider fielen ihm über die Augen. Aufmunternd
    drückte ich ihm die Schultern und sagte:
     
    »Das muß ein überaus merkwürdiges Tier sein. Welches aber?
     
    Aziz, sag mir die Lösung des Rätsels. Was ist es?«
    Er schlug die wunderschönen Augen auf, sah mich an, lächelte
    und sagte: »Nur ein gewöhnlicher Grashüpfer.« Dann kippte er
    unversehens nach vorn um und schlug mit dem Gesicht
    zwischen den Knien auf, als wäre er in der Hüfte nur locker
    zusammengehalten worden. Ganz plötzlich nahm der
    Blutgeruch zu, hinzu kamen Körperausdünstungen und
    Pferdedung und der Geruch menschlicher Exkremente.
    Entsetzt sprang ich auf und rief nach meinem Vater und
    meinem Onkel, die augenblicklich herbeigelaufen kamen und
    fassungslos auf den Jungen herniederstarrten.
     
    »Kein Mensch hat jemals so flach gelegen«, rief mein Onkel
    von Entsetzen gepackt.
     
    Mein Vater kniete sich hin, ergriff eines der Handgelenke

Weitere Kostenlose Bücher