Marco Polo der Besessene 1
herumfahren. Von den Bewohnern des Karabil hörten wir jedoch, daß der kulan sich weder zähmen noch reiten läßt; sie schätzten ihn nur des eßbaren Fleisches wegen.
Wir selbst, besonders Onkel Mafio, gingen auf dieser Etappe unserer Reise viel auf die Jagd, um unseren Reiseproviant zu ergänzen. In Mashhad hatten wir uns jeder einen der gedrungenen mongolischen Bogen nebst den dazugehörigen kurzen Pfeilen besorgt, und mein Onkel hatte damit geübt, bis er ein vortrefflicher Bogenschütze war. In der Regel waren wir bemüht, Herden von qazel und kulan in Ruhe zu lassen, weil wir fürchteten, daß andere Jäger wie Wölfe oder Löwen, von denen es in der Karabil auch viele gibt, ihnen folgen könnten. Gelegentlich jedoch riskierten wir es auch, uns an eine Herde heranzupirschen, und brachten ein paarmal eine qazel und einmal sogar einen kulan zur Strecke. Fast täglich konnten wir damit rechnen, eine Gans oder Ente, eine Wachtel oder ein Rebhuhn zu erlegen. Deren frisches Fleisch hätte köstlich sein können - wäre eines nicht gewesen.
Ich weiß nicht mehr, welches unsere erste Beute war, die wir mit einem Pfeil vom Himmel herunterholten, und wer von uns es war, der sie traf. Doch als wir anfingen, sie zu zerlegen, um sie am Spieß überm Feuer zu braten, entdeckten wir, daß sie von einer Art kleiner blinder Insekten förmlich durchsiebt war, Dutzenden von madenähnlichen, sich windenden Wesen, die sich zwischen Haut und Fleisch eingenistet hatten. Voller Abscheu warfen wir den Vogel beiseite und begnügten uns an diesem Abend mit einer Mahlzeit aus Dörrfleisch, wie wir sie aus der Wüste zur Genüge kannten. Am nächsten Tag erlegten wir ein anderes Tier und stellten fest, daß es ähnlich von Schmarotzern befallen war. Ich weiß nicht, welcher Dämon jedes Lebewesen auf dem Karabil heimsucht. Die Eingeborenen, die wir fragten, konnten es uns nicht sagen, schienen sich aber auch nichts weiter daraus zu machen und brachten sogar eine gewisse Verachtung für unsere Mäkelei zum Ausdruck. Da wir in der Folge feststellten, daß jedes andere erlegte Tier ähnlich von Würmern wimmelte, zwangen wir uns, diese herauszusuchen und das Fleisch trotzdem zu essen, was uns auch nicht schadete; zuletzt verschwendeten wir keinen Gedanken mehr an diese Sache.
Noch etwas, das wir als unangenehm empfanden -uns nach der Wüste jedoch eher erheiterte -, war, daß wir dreimal während unserer Durchquerung des Karabil über einen Fluß übersetzen mußten. Wenn ich mich recht erinnere, hießen diese Flüsse Tedzhen, Kushka und Takhta. Es waren keine besonders breiten Wasserläufe, aber sie waren kalt und tief und wiesen eine reißende Strömung auf, da sie von den Höhen des Paropamisus bis zu den Ebenen des Karakum herunterstürzten, wo sie schließlich im Schwarzen Kies versickern und verschwinden sollten. Auf jedem der beiden Ufer fand sich jeweils eine kanvansarai, und diese versahen den Fährdienst auf eine Art und Weise, die mich erheiterte. Unsere Pferde wurden einfach entsattelt und entladen und mußten dann den Fluß schwimmend überqueren, was sie fabelhaft machten. Wir Reisenden jedoch wurden zusammen mit unserem Gepäck einzeln von einem Fährmann hinübergebracht, der eine besondere Art von Floß steuerte, das masak genannt wurde. Jedes dieser Flöße war nicht größer als ein Badezuber und bestand aus einem leichten Lattenwerk, das von einem runden Dutzend aufgeblasener Ziegenfelle getragen wurde.
So ein masak mit den überall hervorschauenden Ziegenbeinen im Lattengestell sah schon lächerlich aus, doch sollte ich merken, daß das seinen Grund hatte. Diese Flüsse waren reißende Fluten, und Ruderer hätten darin wenig Kontrolle über so etwas Ungefüges wie einen masak; so wild bockte und rüttelte und schwankte und drehte sich dieses, während es in schräger Linie von einem Ufer zum anderen getragen wurde. Eine jede Überquerung dauerte ziemlich lange, und in dieser Zeit schlugen die Ziegenhäute leck und ließen blubbernd und pfeifend Luft heraus. Sobald der masak besorgniserregend tief im Wasser lag, hörte der Fährmann auf zu rudern, band ein Ziegenbein auf und blies einen der Luftsäcke nach dem anderen tüchtig wieder auf, bis alle wieder auf den Fluten tanzten, und band sie danach wieder zu. Ich sollte meine Bemerkung, daß ich diese Art des Übersetzens erheiternd fand, dahingehend ergänzen, daß ich das jeweils erst dann tat, nachdem man mich auf der anderen Seite sicher an Land gesetzt hatte.
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