Marco Polo der Besessene 1
etliches an Heu-zafran gegen die hier gültigen Münzen ein, und wenn ein Händler nur lange genug bat, ließ er sich sogar herab, ihm ein paar Brutknöllchen zu verkaufen, damit der Betreffende selbst anfangen konnte, Krokus anzubauen. Für jedes Knöllchen forderte und erhielt mein Vater eine Anzahl Beryllsteine oder Lapis lazura, denn dieses Land ist die Hauptquelle dieser Steine in der ganzen Welt, und sie wiederum waren eine Menge Geld wert. Infolgedessen waren wir durchaus wohlhabend zu nennen, ohne bisher unsere Moschusbeutel geöffnet zu haben.
Für uns selbst kauften wir schwere Winterkleidung aus Wolle und Pelz, wie sie hier getragen wurde. Hauptkleidungsstück war der chapon, welcher - je nachdem, was benötigt wurde - als Mantel, Decke oder Zeltbahn diente. Als Mantel getragen, ging er rundum bis auf den Boden; die weiten Ärmel hingen immer einen Fuß lang über die Fingerspitzen hinaus. Das sah zwar wenig vorteilhaft und komisch aus, aber worauf die Leute achteten, das war weniger der Schnitt, als vielmehr die Farbe des chapon, den man hatte, denn die verriet, wie reich oder arm man war. Je heller die Farbe des chapon, desto schwieriger war es, ihn sauberzuhalten, und je häufiger er gereinigt werden mußte, desto mehr mußte man dafür aufwenden, was bedeutete, daß es demjenigen, der ihn trug, nichts ausmachte, dafür zu zahlen; trug jemand einen reinweißen chapon, wurde man zu jemand abgestempelt, der wahrhaft verschwenderisch mit seinem Geld umgehen konnte. Mein Vater, mein Onkel und ich entschieden uns zu einem chapon von hellbrauner Farbe, womit wir andeuteten, daß wir uns maßvoll in der Mitte zwischen großer Opulenz und dem Dunkelbraun jenes chapon hielten, den wir für unseren Sklaven Nasenloch erstanden. Desgleichen kauften wir uns die landesüblichen, chamus genannten Stiefel, die eine zähe, aber biegsame Ledersohle aufwiesen, welche mit schmiegsamem, bis zum Knie reichenden und an der Wade mittels Schnüren befestigten Oberleder verbunden war. Außerdem tauschten wir unsere Flachlandsättel ein und zahlten noch ein hübsches Sümmchen drauf, um neue Sättel mit hohem Sattelknopf und Hinterzwiesel zu erstehen, auf denen man beim Aufstieg im Gebirge sicherer sitzt.
Sofern wir uns nicht im bazar aufhielten und Handel trieben, nutzten wir die Zeit auf andere Weise. Der Sklave Nasenloch fütterte und striegelte unsere Pferde, daß sie besser in Form nicht sein konnten, und wir Polos tauschten mit anderen Reisenden Erfahrungen aus. Wir berichteten ihnen von unseren Beobachtungen auf den nach Westen führenden Straßen, und diejenigen, die aus dem Osten kamen, erzählten von den Straßen und Verhältnissen dort. Mein Vater schrieb gewissenhaft einen mehrseitigen Brief an Dona Fiordelisa, berichtete von unseren Reisen und wie weit wir bisher gekommen waren, versicherte sie unseres Wohlergehens und vertraute diesen Brief dann dem Führer einer nach Westen ziehenden karwan an, um ihn auf diese Weise auf seinen langen Weg nach Venedig zu bringen. Ich meinte, größere Aussicht, überhaupt in Venedig anzukommen, hätte ein Brief von einem Punkt jenseits der Großen Salzwüste gehabt.
»Dort habe ich auch geschrieben«, sagte er. »Ich habe ihn
einer von Kashan abgehenden karwan mitgegeben.« Des weiteren erklärte ich ohne Groll, er hätte auch meiner Mutter auf dieselbe Weise einmal eine Nachricht zukommen lassen können.
»Auch das habe ich getan«, sagte er. »Ich habe ihr jedes Jahr geschrieben -entweder ihr oder Isidoro. Woher sollte ich wissen, daß die Briefe nie angekommen sind? Allerdings waren die Mongolen damals immer noch dabei, neue Gebiete zu erobern und sie nicht nur besetzt zu halten, und damals war die Seidenstraße eine womöglich noch unzuverlässigere Route, als sie es heute ist.«
Abends wandten er und mein Onkel viel Zeit und Geduld auf, um, wie ich bereits berichtet habe, unsere Karten auf den neuesten Stand zu bringen, und ich tat das gleiche mit den Notizen, die ich gemacht hatte.
Dabei stieß ich auf die Namen der Prinzessinnen Falter und Sonnenlicht im fernen Baghdad, was mir bewußt machte, daß ich seit nunmehr ziemlich langer Zeit nicht mehr mit einer Frau zusammengewesen war. Des einzigen Ersatzes -eine Nacht um die andere den Krieg der Priester zu führen - war ich längst überdrüssig geworden. Aber ich habe auch erwähnt, daß die Mongolen, da sie selbst keiner streng organis ierten Religion anhangen, in die Religionen der ihnen tributpflichtigen Völker
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