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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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manchmal sogar gelblichem Haar.
    Nur behauptet jeder Stamm, die einzig echten Nachkommen zu sein und daher die alleinige Oberherrschaft über all diese Länder beanspruchen zu können, die heute die India Aryana bilden. Für meine Begriffe ist eine solche Behauptung recht abwegig, denn Alexander selbst war hier bereits einer, der nicht nur sehr spät kam, sondern überdies auch noch als unwillkommener Marodeur galt; demzufolge müßten alle hier Geborenen - vielleicht mit Ausnahme der Prinzessin Roxana den Mazedoniern ähnliche Gefühle entgegengebracht haben, wie sie sie heute den Mongolen gegenüber haben.
    Das einzige, was die Völker in diesen Weltgegenden nach unserem Dafürhalten gemeinsam hatten, war die noch später gekommene Religion des Islam. Infolgedessen hatten wir entsprechend den muslimischen Gepflogenheiten nie das Vergnügen, uns mit anderen denn männlichen Personen zu unterhalten, was Onkel Mafio in bezug auf das, was sie über ihre Abstammung behaupteten, sehr skeptisch machte. Er zitierte ein altes venezianisches Couplet:
    La mare xe segura E'l pare de Ventura.
    Was soviel heißt wie: Der Vater mag zwar behaupten, er wisse es, doch nur eine Mutter weiß bei allen ihren Kindern genau, wer der Vater ist. Ich habe diese verworrene und ein wenig zusammenhanglose Geschichte nur erzählt, um deutlich zu machen, daß sie unter anderen Mißlichkeiten dazu beitrug, uns Möchtegern-Kartographen zur Verzweiflung zu treiben. Jedesmal, wenn
    mein Vater und mein Onkel sich zusammensetzten, um darüber
    zu entscheiden, was fein säuberlich auf unserer Karte
    eingetragen werden sollte und was nicht, ging das Gespräch
    alles andere als fein säuberlich etwa folgendermaßen:
     
    »Zunächst einmal, lieber Mafio, gehört dies Land hier zu jenem
    Teilreich des Khanats, das vom Ilkhan Kaidu beherrscht wird.
    Aber wir müssen genauer sein.«
     
    »Wie genau denn, Nico? Wir haben keine Ahnung, wie Kaidu
    oder Kubilai oder irgendein anderer mongolischer
    Staatsbeamter dies Gebiet offiziell nennt. Sämtliche
    abendländischen Kartographen nennen es einfach India Aryana
    oder Großindien.«
     
    »Sie sind aber nie hier gewesen. Der Abendländer Alexander
    vielleicht, aber der nannte es Baktrien.«
    »Dabei nennen die meisten hier Ansässigen es Pakhtunistan.«
     
    »Laut al-Idrisi heißt es aber Mazar-i-Sharif.«
    » Gesü! Dabei bedeckt es nur einen Daumenbreit Karte. Lohnt
    sich da die ganze Aufregung und der ganze Streit?«
     
    »Der Ilkhan Kaidu würde niemals eine Garnison hier
    unterhalten, wenn das Land wertlos wäre. Und der Khakhan
    Kubilai wird sehen wollen, wie genau wir uns ere Karten
    gezeichnet haben.«
     
    »Na schön.« Stoßseufzer. »Überlegen wir noch einmal ganz
    genau...«
     
    Eine Zeitlang trieben wir uns müßig in Balkh herum, nicht, weil
    es eine besonders reizvolle Stadt gewesen wäre, sondern weil
    im Osten - dort, wo wir hinmußten -hohe Berge drohten.
    Inzwischen lag aber selbst hier in den niedriger gelegenen
    Tälern eine dicke Schneedecke, und so wußten wir, daß die
    Berge vor dem späten nächsten Frühjahr unpassierbar sein
    würden. Da es den Winter irgendwo abzuwarten galt, meinten
    wir, die karwansarai in Balkh sei immerhin angenehm genug,
     
    daß wir zumindest einen Teil desselben dort zubringen
    konnten. Die Verpflegung war gut und reichlich und auch einigermaßen abwechslungsreich, wie sie es an einem solchen Handelsknotenpunkt sein sollte. Es gab vorzügliches Brot und etliche Sorten Fisch, und das Fleisch -wiewohl Hammel wurde auf wohlschmeckende, shashlik genannte Art gesotten. Es gab vorzügliche Wintermelonen und langgelagerte Granatäpfel, sonst nur das gewohnte Dörrobst. Qahwah war hier zwar unbekannt, doch dafür gab es ein cha genanntes Getränk aus überbrühten Pflanzenblättern, das fast genauso belebend wirkte wie qahwah und nicht minder, wenngleich auf andere Weise wohl duftete und viel dünnflüssiger war. Grundnahrungsmittel waren nach wie vor Bohnen; sonst gab es zu den Mahlzeiten ewig nur Reis, doch stifteten wir ein wenig zafran für die Küche, machten auf diese Weise den Reis genießbar und sorgten gleichzeitig dafür, daß die Köche dieser karwansarai von allen anderen Gästen hochgelobt wurden.
    Da der zafran in Balkh etwas genauso Unvergleichliches und Köstliches war wie in anderen Städten, hatten wir reichlich Geld und konnten uns alles leisten, was wir brauchten oder haben wollten. Mein Vater tauschte einen kleinen Teil des Ziegels sowie

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