Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
heilbar?«
     
    »Bei sieben von acht, ja«, erklärte Hakim Khosro durchaus
    nicht niedergeschlagen. »Um mit der Heilung zu beginnen,
    brauche ich gewisse Dinge aus der Küche.«
     
    Er hieß den Wirt, ihm Eier, Hirsesamen und Gerstenmehl
    bringen. Dann schrieb er ein paar Wörter auf ein paar Zettel
    »höchst wirksame Quran-Verse«, wie er sagte -und heftete
    diese Zettel mit Hilfe des Eigelbs, das er mit dem Hirsesamen
    vermischt hatte, Onkel Mafio auf die nackte Brust -, »die jinni
    dieser Krankheit scheinen eine gewisse Affinität zu Hirsesamen
    zu haben.« Dann ließ er sich vom Herbergswirt helfen, meinen
    Onkel über und über mit Mehl zu bestreuen und einzureiben
    und ihn dann fest in ein paar Ziegenhäute zu hüllen und zu
    erklären, dies diene dazu, »das Ausschwitzen des jinni-Gifts zu
    unterstützen«.
     
    »Malevolenza!« stöhnte mein Onkel. »Ich kann mich nicht mal
     
    an meinem juckenden Ellbogen kratzen.«
    Dann fing er an zu husten. Entweder der Mehlstaub oder die
    große Hitze innerhalb der Ziegenhäute sorgten für einen
    Hustenanfall, der schlimmer war als alles bisher Erlebte. Da ihm
    die Arme durch die Hüllen an den Leib gepreßt wurden, konnte
    er sich nicht einmal Erleichterung heischend auf die Brust
    klopfen oder die Hand vor den Mund halten, und so hustete er
    und hustete, bis es den Eindruck machte, er würde ersticken,
    sein roter Kopf puterrot anlief und er kleine Blutflecken auf den
    weißen aba des hakim sprühte. Nach einiger Zeit erbleichte er
    und lag bewußtlos da wie ein totes Tier, und ich glaubte, er
    wäre wirklich erstickt.
     
    »Nur keine Angst, junger Mann«, sagte Hakim Khosro. »Es
    handelt sich um ein Heilmittel, das die Natur selbst liefert. Die
    jinni dieser Krankheit geben sich nicht mit Opfern ab, die sich
    nicht darüber klar sind, daß sie gepeinigt werden. Seht Ihr?
    Solange Euer Onkel bewußtlos ist, hustet er nicht.«
     
    »Dann braucht er nur zu sterben«, sagte ich mißtrauisch, »und
     
    er ist seinen Husten für immer los.«
    Der hakim lachte und nahm mir diese Worte nicht übel. Er
    sagte: »Auch Ihr solltet nicht mißtrauisch sein. Das hasht nafri
    läßt sich nur dann aufhalten, wenn die Natur soweit ist. Ich
    kann nichts weiter tun, als der Natur Hilfestellung leisten. Seht,
    jetzt wacht er wieder auf, und der Anfall ist vorüber.«
     
    »Gesu«, murmelte Onkel Mafio kraftlos.
     
    »Vorläufig«, fuhr der hakim fort, »sind Ruhe und Schwitzen die beste Arznei. Er sollte nur zum auf den mustarah-Gehen aufstehen, und das wird er häufig tun, denn ich werde ihm jetzt ein starkes Abführmittel geben. Im Darm halten sich immer jinni versteckt, und es kann nicht schaden, sie loszuwerden. Deshalb solltet Ihr den Patienten jedesmal, wenn er vom mustarah zurückkehrt ins Bett - ich kann schließlich nicht immer hier bleiben -, mit Gerstenmehl einstäuben und ihn wieder in die Ziegenhäute einrollen. Ich werde von Zeit zu Zeit vorbeischauen und neue Verse aufschreiben, die ihm auf die Brust geheftet werden können.«
    So wechselten mein Vater, ich und unser Sklave Nasenloch uns gegenseitig in der Pflege Onkel Mafios ab. Das jedoch war keine lästige Pflicht -höchstens, daß man sich sein ständiges Murren dagegen anhören mußte, immer auf dem Rücken liegen zu sollen -, und so kam mein Vater nach einer Weile zu dem Schluß, er könne unseren Aufenthalt hier in Balkh genausogut noch auf eine andere Weise nutzen. Er überließ Onkel Mafio meiner Obhut und reiste zusammen mit Nasenloch in die Hauptstadt dieses Gebiets, um dem dort residierenden Herrscher (dessen Titel Sultan lautete) einen Besuch abzustatten und uns als Sendboten des Khakhan Kubilai zu erkennen zu geben. Selbstverständlich war diese Stadt nur dem Namen nach eine Hauptstadt, und der herrschende Sultan dort war genauso wie der Shah von Persien nur dem Namen nach ein wirklicher Herrscher, im übrigen aber dem Mongolen-Khanat Untertan. Doch der Abstecher dorthin sollte meinen Vater instand setzen, unsere Karte mit weiteren Einzelheiten und neueren Bezeichnungen zu verschönern. So gab unser Kitab den Namen dieser Stadt zum Beispiel als Kophes an (zu Alexanders Zeit hieß sie Nikaia), doch wurde sie hier und jetzt überall Kabul genannt. Mein Vater und Nasenloch sattelten also zwei von unseren Pferden und schickten sich an hinzureiten.
    Am Abend vor ihrem Abritt schob sich Nasenloch an mich heran. Offenbar war ihm mein verlorenes und abgehärmtes Aussehen aufgefallen, und vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher