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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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ebensowenig eingreifen wie in die Gesetze dieser Menschen. Folglich war Balkh immer noch muslimisch und unterlag immer noch der shamiyah, dem islamischen Gesetz. Infolgedessen blieben alle Frauen entweder daheim in strenger pardah, oder sie bewegten sich in schwarzverhangener Unsichtbarkeit auf den Gassen. Sich unerschrocken an eine solche Frau heranzumachen, hätte zunächst einmal bedeutet, möglicherweise an eine alte Vettel wie Sonnenlicht zu geraten, oder -schlimmer noch -sich vielleicht auch dem Zorn ihrer männlichen Verwandten oder der Imams und Muftis des
    islamischen Gesetzes auszusetzen. Nasenloch hingegen hatte eine wie immer abartige (aber gesetzlich nicht verwerfliche) Betätigungsmöglichkeit seiner tierischen Instinkte (gefunden. In jeder karwan, die in Balkh haltmachte, hatte ein jeder Muslim, den keine Frau oder Konkubine (oder zwei oder drei von beidem) begleiteten, seine kuch-i-safan dabei. Dieser Ausdruck bedeutet ›Reisefrauen‹, die freilich in Wirklichkeit Jungen waren, die man mitnahm und die als Frauen dienten; auch kennt die sharaiyah kein Verbot dagegen, daß Fremde für einen Anteil an ihrer Gunst bezahlen. Ich wußte, daß Nasenloch genau das eiligst getan hatte, denn das dazu nötige Geld hatte er mir abgeschmeichelt. Nur reizte es mich nicht, es ihm gleichzutun. Ich hatte die kuch-i-safan gesehen, und kein einziger von ihnen konnte sich auch nur im entferntesten mit dem armen Aziz vergleichen.
    Folglich sehnte und wünschte und verzehrte ich mich auch weiterhin, ohne indes etwas zu finden, wonach ich mich sehnen konnte. Mir blieb nichts anderes übrig, als jedem wandelnden Kleiderhaufen nachzustarren, an dem ich auf der Straße vorüberkam, und vergeblich zu versuchen dahinterzukommen, welche Art Frau sich hinter diesen Stoffbergen verbergen mochte. Schon dadurch, daß ich nur das tat, riskierte ich den Zorn der Balkhiten. Sie nennen dieses müßige Äugeln ›Eva-Ködern‹ und verdammen es als höchst lasterhaft. Auch Onkel Mafio lebte in dieser Zeit enthaltsam, und zwar auf geradezu auffallende Weise. Eine Zeitlang nahm ich an, das sei so, weil er sich immer noch wegen Aziz grämte. Dann jedoch wurde nur allzu deutlich, daß er einfach körperlich immer schwächer wurde und an so etwas wie Liebelei gar nicht zu denken war. Sein ständiger Husten war unerträglich geworden. Jetzt überfiel er ihn bisweilen mit einer solchen Heftigkeit, daß er hinterher ganz schwach war und das Bett hüten mußte, um sich wieder zu erholen. Er sah allerdings immer noch kerngesund aus und hatte eine gute Farbe. Jetzt jedoch fand er es unerträglich ermüdend, auch nur den Weg von unserer kaneansaraibis zum
    bazar und zurück zu machen, und so setzte mein Vater sich
     
    über seine Einwände hinweg und holte einen hakim.
    Das Wort hakim bedeutet nichts weiter als ›weise‹, nicht
    notwendigerweise medizinisch ausgebildet oder beruflich
    erfahren; jedem, der es verdient, kann dieser Titel verliehen
    werden -zum Beispiel der Heilkundige an irgendeinem Hof -,
    desgleichen aber auch jedem, der ihn vielleicht nicht verdient,
    wie etwa ein Wahrsager im bazar oder ein alter Bettler, der
    Kräuter sammelt und sie verkauft.
     
    Wir waren also ein wenig besorgt, ob es uns gelingen würde, in
    dieser Stadt jemand zu finden, der als medego etwas taugte.
    Schließlich hatten wir viele Balkhiten mit offenkundigen
    Gebrechen behaftet gesehen -wobei die meisten unter einem
    Kropf litten, der ihnen wie ein Hodensack oder eine schlaffe
    Melone unter dem Kinn hervorquoll -, was auf uns in bezug auf
    die Ausbildung der medizinischen Kunst in Balkh nicht gerade
    vertrauenerweckend wirkte. Doch der Besitzer der karwansarai
    ließ einen gewissen Hakim Khosro für uns holen, und wir legten
    Onkel Mafios Schicksal in seine Hand.
     
    Immerhin sah es so aus, als wisse er genau, was er tat. Er
    brauchte Onkel Mafio nur kurz zu untersuchen, und schon
    konnte er meinem Vater sagen: »Euer Bruder leidet am hasht
    nafri. Das bedeutet: einer-von-acht. Wir nennen das so, weil
    einer von acht daran stirbt. Doch selbst die damit
    Geschlagenen können noch ziemlich lange auf den Tod warten.
    Die jinni dieser Krankheit haben es nicht besonders eilig. Euer
    Bruder hat mir erklärt, er leide schon seit geraumer Zeit daran,
    und es sei allmählich schlimmer geworden.«
     
    »Die tisichezza also, nicht wahr?« sagte mein Vater und nickte
    ernst. »Dort, wo wir herkommen, wird sie manchmal die
    schleichende Krankheit genannt. Ist sie

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