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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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wollte er, daß ich nicht in
    irgendwelchen Schlamassel hineingeriet, solange ich in Balkh
    mir selbst überlassen blieb.
     
    Er sagte:
    »Mirza Marco, es gibt da ein gewisses Haus in dieser Stadt. Es
    ist das Haus eines Gebr, und ich möchte gern, daß Ihr es Euch
    anseht.«
     
    »Eines Gebr?« sagte ich. »Soll das ein seltenes wildes Tier
     
    sein?«
    »Selten keineswegs, aber tierisch schon. Ein Gebr ist einer von
    den verderbten Persern, welche sich nie der Erleuchtung des
    Propheten (Segen und Friede seien mit Ihm!) geöffnet haben.
    Diese Leute verehren immer noch Ormuzd, den heute
    verrufenen Gott des Feuers, und befleißigen sich vieler böser
    Praktiken.«
     
    »Ach«, sagte ich und verlor das Interesse. »Warum sollte ich
    mir das Haus einer weiteren schändlichen heidnischen Religion
    ansehen?«
     
    »Weil dieser Gebr, da er ja nicht an das muslimische Gesetz
    gebunden ist, wie nicht anders zu erwarten gegen jeden
    Anstand verstößt. Vorn ist sein Haus ein Laden, in dem Dinge
    aus Asbest verkauft werden, nach hinten hinaus jedoch ist es
    ein Freudenhaus, das der Gebr frevlerisch Liebenden für ihr
    heimliches Stelldichein zur Verfügung stellt. Beim Barte des
    Propheten, schändlich!«
     
    »Was habe ich damit zu schaffen? Geh doch selbst hin und
     
    zeig es bei einem Mufti an.«
    »Als frommer Muslim wäre das eigentlich meine Pflicht, doch
    will ich es noch nicht tun. Jedenfalls nicht, bevor Ihr Euch nicht
    von der Schändlichkeit des Gebr überzeugt habt, Mirza Marco.«
     
    »Ich? Was zum Teufel soll ich dort?«
     
    »Seid Ihr Christen in bezug auf das Schamgefühl anderer Leute
    nicht noch bedenkenloser?«
    »Ich sehe in Liebenden nichts Schändliches« erklärte ich vor
     
    Selbstmitleid triefend. »Im Gegenteil, ich beneide sie. Hätte ich
     
    doch selbst jemand, mit dem ich an der Hintertür des Gebr
     
    anklopfen könnte.«
    »Nun, er verstößt auch noch auf andere Weise gegen die
    Moral. Für diejenigen, die gerade keine Geliebte haben, die
    ihnen zu Willen sein könnte, hat der Gebr zwei oder drei junge
    Mädchen bei sich wohnen, die für Geld zu haben sind.«
     
    »Hm. Das hört sich schon anders an. Es war recht von dir, mich
    darauf hinzuweisen, Nasenloch. Wenn du mir das Haus nun
    auch noch zeigtest, könnte ich mich geneigt sehen, dich für
    deine geradezu christliche Wachsamkeit zu belohnen...«
     
    Und so begab ich mich denn am nächsten Tag bei
    Schneetreiben, nachdem er und mein Vater in südöstlicher
    Richtung davongeritten waren und ich mich davon überzeugt
    hatte, daß Onkel Mafio gut in seine Ziegenhäute eingewickelt
    war, in den Laden hinein, den Nasenloch mir gezeigt hatte.
    Darin befand sich ein Verkaufstisch mit Stapeln und Rollen
    irgendeines schweren grauen Tuchs und dazwischen eine mit
    Petroleum gefüllte Steinschale samt Docht, der mit heller gelber
    Flamme brannte; und hinter dem Verkaufstisch stand ein
    bereits älterer Perser mit hennarot gefärbtem Bart.
     
    »Zeigt mir Eure sanftesten Waren«, sagte ich, wie Nasenloch
     
    mich angewiesen hatte.
    »Hinten links«, sagte der Gebr und ruckte mit dem Bart in
    Richtung auf einen Perlenvorhang im Hintergrund des Ladens.
    »Ein Dirham.«
     
    »Ich hätte«, verdeutlichte ich, »gern etwas besonders
     
    Schönes.«
    Spöttisch verzog er den Mund. »Zeigt Ihr mir was Hübsches
    unter diesen Landpomeranzen, und ich bin bereit, Euch zu
    bezahlen. Seid froh, daß die Ware sauber is t. Ein Dirham.«
     
    »Was soll's -Hauptsache, es ist Wasser, das Feuer zu
    löschen«, sagte ich. Der Mann funkelte mich an, als hätte ich
    ihn angespuckt, und ich erkannte, daß dies vermutlich nicht
    gerade die taktvollste Bemerkung einem Feueranbeter
    gegenüber war. Hastig legte ich daher die Münze auf den
     
    Verkaufstisch und stieß durch den leise klirrenden
    Perlenvorhang. Überall im Raum hingen des süßlichen Geruchs wegen Robinienzweige; sonst war er nur mit einem Holzkohlenbecken sowie einem charpan ausgestattet, einem rohen, aus einem Holzrahmen mit Schnurgeflecht bestehenden Bett. Das Mädchen war auch nicht hübscher als das einzige andere weibliche Wesen, für dessen Dienste ich einmal bezahlt hatte das Hafenmädchen Malgarita in Venedig. Diese hier stammte offensichtlich aus einem der Stämme, die hier zu Hause waren, denn sie sprach das hier geläufige Pashtun und verfügte über ein beklagenswert beschränktes Vokabular von Handels -Farsi. Sollte sie mir ihren Namen genannt haben, habe ich ihn nicht

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