Marco Polo der Besessene 1
gleichsam im Fluge hatte mitgehen heißen, und so grapschte sie denn nach den Bettvorhängen. Es folgte ein Augenblick der Verblüffung und der Körperverrenkung, als sie und der Sklave sich mühten, sich etwas überzuziehen. Dem wiederum folgte ein womöglich noch ausgedehnteres verlegenes Schweigen, in dessen Verlauf mich vier Augäpfel anstarrten, die fast so groß und schimmernd waren, wie die Zwiebel es gewesen war. Ich beglückwünschte mich dazu, dass ich der erste war, der die Fassung wiedergewann, lächelte meine nena süß an und
sprach -nicht die Worte der Entschuldigung, die ich eigentlich
hatte vorbringen wollen, sondern die Worte eines schändlich
durchtriebenen Erpressers .
Selbstgefällig und siegessicher sagte ich: »Ich werde morgen
nicht in die Schule gehen, Zia Zulia«, ging rückwärts hinaus und
schloß die Tür.
Da ich genau wußte, was ich am nächsten Tag vorhatte, war
ich voller Erwartung und viel zu unruhig, um gut zu schlafen. So
war ich auch schon wach, ehe einer von den Dienstboten auf
den Beinen war, nahm mir auf dem Weg durch die Küche und
hinaus in den perlgrauen Morgen zum Frühstück ein
Korinthenbrötchen und trank einen Schluck Wein. Ich durcheilte
die leeren Gassen und lief über zahllose Brücken zu jenem
Schlammareal an der Nordseite, wo einige von den
Hafenrangen gerade aus ihren Unterkünften hervorkrochen.
Wenn man bedenkt, worum ich bitten wollte, hätte ich wohl
zuerst Daniele aufsuchen sollen, ging jedoch statt dessen zu
Ubaldo und trug ihm mein Anliegen vor. »Um diese Zeit?«
sagte er leicht entsetzt. » Malgarita, das Schwein, schläft
vermutlich noch. Aber mal sehen.«
Er tauchte wieder im Inneren des ausrangierten Lastkahns
unter, und Doris, die unser Gespräch mitangehört hatte, sagte
zu mir: »Ich finde, du solltest es nicht tun, Marco.«
Ich war es gewohnt, dass sie zu allem und jedem, was man
sagte oder tat, ihren Kommentar abgab, und wußte ihn für
gewöhnlich auch durchaus zu schätzen, doch diesmal fragte
ich: »Wieso sollte ich nicht?«
»Ich möchte es nicht.«
»Das ist kein Grund.«
»Malgarita ist ein fettes Schwein.« Das konnte ich nicht leugnen
und tat es auch nicht, woraufhin sie hinzusetzte: »Sogar ich
sehe besser aus als Malgarita.«
Ich lachte unhöflich, trieb die Unhöflichkeit jedoch nicht so weit,
auch noch zu sagen, dass die Qual der Wahl zwischen einem
fetten Schwein und einem räudigen Kätzchen nicht groß sei.
Verstimmt stampfte Doris mitten im Schlamm mit dem Fuß auf,
um dann mit sich überstürzenden Worten zu sagen: »Malgarita
macht es mit dir, weil es ihr gleichgültig ist, mit welchem Jungen
oder Mann sie es tut. Ich aber würde es mit dir tun, weil ich dich
gern habe.«
Belustigt und verwundert zugleich betrachtete ich sie, und
vielleicht sah ich sie auch zum erstenmal abschätzend an. Ihr
jungfräuliches Erröten war sogar unter der Schmutzschicht auf
ihrem Gesicht zu bemerken, desgleichen ihr Ernst und ein
unbestimmtes Versprechen späterer Hübschheit. Jedenfalls
waren ihre Augen, die ja kein Schmutz verdeckte, von einem
reizvollen Blau und schienen außergewöhnlich groß,
wenngleich das vielleicht daran lag, dass ihr Gesicht von dem
ständigen Hunger, der bisher ihr Leben bestimmt hatte, ganz
klein und in sich zusammengezogen war.
»Du wirst bestimmt einmal eine ansehnliche Frau, Doris«, sagte
ich, weil ich wollte, dass keine schlechten Gefühle sie erfüllten.
»Falls du jemals gewaschen wirst -oder jemand dir wenigstens
den Dreck abkratzt. Und wenn du nicht mehr ganz so dürr bist
wie ein Besenstiel. Malgarita ist schon so füllig und ausladend
wie ihre Mutter.«
Schneidend sagte Doris: »Eigentlich sieht sie mehr aus wie ihr
Vater; sie hat sich sogar einen Bart wachsen lassen.«
Ein Wuschelkopf mit verklebten Augen tauchte aus einem
splitterigen Loch in der Kahnwand auf, und Malgarita rief: »Na,
dann komm schon, eh' ich mir den Rock anzieh'; dann brauch'
ich ihn nicht erst wieder auszuziehen.«
Ich wandte mich zum Gehen, und Doris sagte: »Marco!«, doch
als ich mich ungeduldig umdrehte, sagte sie: »Ach, nichts. Geh
nur und tummle dich mit dem Schwein.«
Ich kletterte in das dunkle Innere des feucht riechenden Kahns
hinein und kroch über die modernden Planken, bis ich an ein
Schott stieß, vor dem Malgarita auf einem Lager aus Schilf und
Lumpen hockte. Meine tastenden Hände stießen eher
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