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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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ab.
    Diesen ließ sie wieder auf das Lager fallen, ging in die
    gegenüberliegende Seite des Laderaums hinüber, hockte sich
    hin und urinierte reichlich. Ich wartete und fand, einer von uns
    müßte irgend etwas sagen, doch schließlich fand ich, ihre
    morgendliche Blasenentleerung werde wohl nie ein Ende
    nehmen, und kletterte genauso aus dem Kahn wieder hinaus,
    wie ich hereingekommen war.
     
    »Sana capäna«, rief Ubaldo, als wäre ich eben erst in die
     
    Gesellschaft eingetreten. »Na, wie war's?«
    Ich bedachte ihn mit dem erschöpften Lächeln des Mannes von
    Welt. Alle Jungen feixten und machten ihre gutmütigen
    Bemerkungen, und Daniele rief: »Meine Schwester ist gut, aber
    meine Mutter ist besser«
     
    Von Doris war nirgends etwas zu sehen, und ich war froh, dass
    ich mich ihrem Blick nicht stellen mußte. Ich hatte meine erste
    Entdeckungsreise gemacht -einen kurzen Vorstoß in Richtung
    Mannsein -, hatte aber keine Lust, mir darauf sonderlich viel
    einzubilden. Ich war schmutzig und überzeugt, nach Malgarita
    zu riechen. Hätte ich doch nur auf Doris gehört und es nicht
    getan! Wenn das alles war, was es brauchte, um ein Mann zu
    sein und es mit einer Frau zu machen, nun, dann hatte ich es
    getan. Von Stund' an hatte ich genauso sehr ein Recht darauf,
     
    großspurig daherzureden wie jeder andere Junge, und würde das auch tun. Doch insgeheim nahm ich mir wieder einmal vor, nett zu Zia Zulia zu sein. Ich beschloß, sie nicht mit dem aufzuziehen, was ich in ihrer Kammer entdeckt hatte, und sie auch weder zu verachten noch zu verraten oder ihr mit der Drohung, sie anzuschwärzen, Zugeständnisse abzuringen. Sie tat mir leid. Kam ich mir nach meiner Erfahrung mit einem Hafenmädchen beschmutzt vor und fühlte mich elend -um wieviel mehr mußte meiner nena das so ergehen, wo sie doch offenbar niemand hatte, es mit ihr zu machen, als einen verachtenswerten Schwarzen.
    Freilich sollte ich keine Gelegenheit haben, meine edle Gesinnung unter Beweis zu stellen. Als ich heimkam, waren alle Dienstboten in heller Aufregung, denn Zulia und Michiel waren in der Nacht verschwunden.
    Maistro Attilio hatte bereits die sbin gerufen, und diese Polizeiaffen hatten nichts Besseres zu tun, als Mutmaßungen anzustellen, die typisch waren für sie: Michiel habe Zulia mit Gewalt in seinem batelo entführt; oder aber die beiden seien aus irgendeinem Grunde nächtens hinausgerudert, hätten das Boot zum Kentern gebracht und wären ertrunken. Folglich wollten die sbin die Fischer an der Seeseite von Venedig bitten, besonders darauf aufzupassen, was sie in ihren Netzen oder an ihrer Angel hätten, die Bauern auf dem venezianischen Festland jedoch, nach einem schwarzen Ruderer Ausschau zu halten, der eine weiße Gefangene irgendwohin brachte. Als sie dann jedoch auf den Gedanken kamen, einmal einen Blick auf den Kanal vor der Ca' Polo zu werfen, fanden sie das batelo unschuldig an seinem Pfahl vertäut, woraufhin die sbin sich den Kopf kratzten, um auf diese Weise irgendwelche neuen Ideen herbeizulocken. Doch wie dem auch sei -hätten sie Michiel gefaßt, auch ohne die Frau, wäre ihnen das Vergnügen zuteil geworden, ihn hinzurichten. Ein entlaufener Sklave ist ipso facto insofern ein Dieb, als er das Eigentum seines Herrn gestohlen hat: nämlich sich selbst.
    Ich verriet nichts von dem, was ich wußte. Ich war überzeugt, dass Michiel und Zulia, erschrocken darüber, dass ich hinter ihr unerquickliches Verhältnis gekommen war, geflohen waren. Sie wurden aber auch nie gefaßt, und ich sollte nie wieder etwas von ihnen hören. Sie müssen es also geschafft haben, sich in irgendeinem abgelegenen Winkel zu verkriechen, etwa in seiner Heimat Nubien oder ihrer Heimat Böhmen, wo sie fürderhin ihr elendes Dasein führen konnten.
    Ich war aus den verschiedensten Gründen dermaßen von Schuldgefühlen geplagt, dass ich etwas tat, was ich bisher noch nie getan hatte. Ich begab mich aus freien Stücken und nicht von irgendeiner Autorität getrieben in die Kirche, um zu beichten. Freilich suchte ich nicht unsere Pfarrkirche, San Felice, auf, denn der alte Padre Nunziata, unser Pfarrer, kannte mich genauso gut wie die sbin; außerdem verlangte es mich nach jemand, der mir sein Ohr objektiver lieh. Aus diesem Grunde machte ich den langen Weg nach der Basilica San Marco. Dort kannte mich keiner der Priester, doch lagen dort die Gebeine jenes Heiligen, dessen Namen ich trug, und ich hoffte, sie würden Verständnis für mich

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