Marco Polo der Besessene 1
vergaß es. Beim
Nachhausekommen wandte Zia Zulia sich an mich und sagte: »Der gute Fra Varisto war heute hier und so fuchsteufelswild, dass er einen leuchtendroten Kopf hatte, bis an seine Tonsur.« Ich sagte, daran sei schließlich nichts Ungewöhnliches.
Warnend meinte sie: »Ein Marcolfo, der nichts lernt, täte gut daran, das Maul nicht so weit aufzureißen. Fra Varisto sagt, du hast die Schule wieder geschwänzt. Seit über einer Woche, diesmal. Und morgen muß deine Klasse vor dem censon di scole etwas aufsagen, was immer das sein mag und wer immer sie sein mögen. Es ist unbedingt erforderlich, dass du daran teilnimmst. Der gute Fratre hat mir gesagt -und das gebe ich jetzt an dich weiter, junger Mann -, dass du morgen in der Schule zu erscheinen hast.«
Ich sagte ein Wort, dass sie fassungslos den Mund aufriß; dann schob ich in mein Zimmer ab und schmollte. Ich weigerte mich selbst dann herauszukommen, als sie zum Abendessen rief. Doch als das coprifuoco geläutet wurde, hatten meine besseren Instinkte die Oberhand über die schlechteren gewonnen, und ich dachte bei mir: Als ich mich heute Michiel gegenüber freundlich bezeigte, hat ihn das erfreut und für mich eingenommen; ich sollte mich mit einem freundlichen Wort bei der alten Zulia entschuldigen. (Mir geht auf, dass ich fast alle Leute, die ich in meiner Jugend kannte, als »alt« charakterisiert habe. Das kommt daher, dass sie meinen jungen Augen eben alt erschienen, wenngleich nur wenige es wirklich waren. Der Schreiber der Compagnia, Isidoro, und unser oberster Dienstbote, Attilio, waren damals vielleicht so alt, wie ich es heute bin. Doch der Mönch Varisto und unser schwarzer Sklave, Michiel, standen höchstens in mittleren Jahren. Zulia kam mir selbstverständlich alt vor, weil sie etwa so alt war wie meine Mutter es gewesen wäre, und meine Mutter war tot; ich nehme jedoch an, dass Zulia ein oder zwei Jahre jünger war als Michiel.)
Nachdem ich mich an diesem Abend entschlossen hatte, mich zu entschuldigen und Besserung zu geloben, wartete ich nicht, bis Zia Zulia vorm Zubettgehen ihren üblichen Rundgang durchs Haus machte, sondern ging zu ihrer kleinen Kammer, klopfte an die Tür und öffnete sie, ohne ihr avanti abzuwarten. Wahrscheinlich bin ich immer davon ausgegangen, dass Dienstboten nachts nichts anderes täten als schlafen, um sich für den Dienst am nächsten Tag Kraft zu holen. Was jedoch an diesem Abend in dieser Kammer geschah, hatte mit Schlafen nichts zu tun. Das war vielmehr etwas Erschreckendes, zum Lachen Reizendes und Verblüffendes -und höchst Aufschlußreiches.
Direkt vor mir auf dem Bett hüpften zwei gewaltige Hinterbacken auf und ab. Es handelte sich ganz eindeutig um Hinterbacken, die schwarzviolett waren wie Auberginen und als solche um so deutlicher für mich zu erkennen, als zwischen ihnen ein Stoffstrang hindurchführte, mit dem eine hellgelbe Zwiebel daran gehindert wurde, aus der Spalte herauszurutschen. Bei meinem unverhofften Eintreten gab es einen Bestürzungsschrei, und die beiden Hinterbacken verschwanden aus dem Kerzenlicht in eine dunklere Ecke der Kammer. Woraufhin auf dem Bett ein entschieden fischweißer Leib sichtbar wurde -nämlich die nackte Zulia, die hingegossen und mit weit auseinanderklaffenden Beinen auf dem Rücken lag. Da sie die Augen geschlossen hatte, war ihr mein Eintritt völlig entgangen.
Da die Hinterbacken sich so unvermittelt zurückzogen, gab sie ob dieses Verlusts einen Klagelaut von sich, fuhr aber gleichzeitig fort zu zucken, als ob noch auf ihr herumgetanzt würde. Ich hatte meine nena nie anders als mit vielerlei Lagen bodenlanger Kleider bedeckt gesehen; dabei hatte sie stets ihre abscheulich krasse slawische Gesichtsfarbe gehabt. Auch war das breite slawische Gesicht der Frau so gewöhnlich, dass es mir nicht im Traum eingefallen wäre, mir auszumalen, wie ihr gleichermaßen in die Breite gehender Leib in unbekleidetem Zustand wohl aussehen mochte. Jetzt jedoch nahm ich begierig alles in mich auf, was so verschwenderisch vor mir ausgebreitet wurde, wobei eine Einzelheit so überaus bemerkenswert war, dass ich mich nicht enthalten konnte, einen Kommentar dazu herauszuprusten:
»Zia Zulia«, sagte ich baß erstaunt, »du hast dort unten einen
leuchtendroten Leberfleck auf deiner...« Mit einem schmatzenden Laut schlossen sich ihre fleischigen Schenkel, und als ihre Augen sich öffneten, war auch das nahezu zu hören. Sie griff nach der Zudecke, die freilich Michiel
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