Marco Polo der Besessene 1
keine Dame jemals diese schrecklichen
hölzernen tofi getragen hat.«
Sie sah unsäglich gekränkt aus und zog sich augenblicklich in
das Innere des Kahns zurück. Ich blieb noch ein Weilchen, um
den Jungen Gelegenheit zu geben, mir zu versichern -was ich ihnen schließlich halbwegs glaubte -, dass kein Mensch mich für einen Jungen halten würde, höchstens jene, die mich bereits kannten. Dann verließ ich sie und begab mich auf die Piazza San Marco. Es war noch viel zu früh für die gewöhnlichen Müßiggänger, doch hatte Dona Ilaria nicht gesagt, was für ein Kostüm sie tragen würde, als ich sie belauscht hatte. Vielleicht war sie genauso schwer vermummt wie ich; deshalb mußte ich mich, um sie erkennen zu können, vor ihrer Haustür herumdrücken, um sie zu sehen, wenn sie ausging, den ersten Ball aufzusuchen.
Ich hätte unliebsame Aufmerksamkeit erregen können, wie ich an diesem einen Ende der Arkade auf und ab ging gleich einem, der das Handwerk des Beutelschneidens erlernen will und sich dabei unglaublich dumm anstellt. Glücklicherweise war ich jedoch nicht der einzige auffällig Gekleidete auf der Piazza. Fast unter jedem Bogen war ein kostümierter matadn oder montimbanco dabei, sein Podest aufzuschlagen, und bald ergingen sich auch genügend Schaulustige, denen man etwas vorspielen konnte, und so heißen sie ihre Talente leuchten. Darüber war ich von Herzen froh, gaben sie mir doch etwas zu sehen außer dem Hauseingang der casa muta.
Die montimbanchi -gekleidet wie Ärzte oder Astrologen, nur dass ihre Gewänder auffällig mit Sternen, Monden und Sonnen geschmückt waren -vollführten Zauberkunststücke oder entlockten einer ordegnogorgia Klänge, um Aufmerksamkeit zu erregen; war es ihnen gelungen, den Blick eines Vorübergehenden auf sich zu lenken, fingen sie lautstark und raschzüngig an, ihre Heilmittel anzupreisen -getrocknete Kräuter, farbige Wässer, Mondmilch-Pilze und dergleichen. Die womöglich noch auffälliger in quadratisch oder rautenförmig karierten und mit Flicken besetzten Kostümen herausgeputzten matacini mit ihren leuchtenden Gesichtsfarben hingegen hatten nichts weiter anzubieten als ihre Geschicklichkeit. Infolgedessen hüpften und sprangen sie auf ihren Podesten, herunter von ihnen und wieder hinauf, vollführten akrobatische Kunststücke und Schwerttänze und Verrenkungen, jonglierten mit Bällen, ja, sogar einer mit dem anderen und ließen dann, wenn sie eine Pause einlegten, um wieder zu Atem zu kommen, den Hut unter den Zuschauern herumgehen.
Je weiter der Tag voranschritt, desto mehr Gaukler bauten ihren Stand auf der Piazza auf, desgleichen die Verkäufer von confeti, Naschwerk und Erfrischungsgetränken; auch mehr gewöhnliche Bürger ließen sich blicken, wiewohl sie ihr Festtagsgewand noch nicht angelegt hatten. Letztere versammelten sich wohl um ein Podest, um den Taschenspielereien eines montimbanco zuzusehen, oder einem castron zuzuhören, wie er zur Lautenbegleitung eine barcarole sang; doch kaum ließ der Künstler seinen Hut herumgehen oder bot er seine Waren feil, begaben sie sich zur winzigen Bühne eines anderen. Viele dieser Leute pendelten zwischen einem Artisten und dem anderen, bis sie dorthin kamen, wo sie mich dann dumm anglotzten und offensichtlich erwarteten, dass ich irgend etwas Unterhaltsames tue. Das war einigermaßen peinlich, da ich nichts weiter tun konnte als vor ihren Augen in Schweiß ausbrechen - der Frühlingstag war ganz ungewöhnlich warm geworden -und zu versuchen, so auszusehen, als wäre ich ein Diener, dem aufgetragen worden war, geduldig an einem Fleck auf seinen Herrn zu warten.
Der Tag rückte weiter vor, wollte jedoch kein Ende nehmen, und ich wünschte inbrünstig, ich hätte einen leichteren Mantel angezogen, hätte am liebsten jeder einzelnen von den Millionen widerwärtigen Tauben auf der Piazza den Hals umgedreht, und war dankbar für jede Abwechslung. Die ersten Bürger, die nicht in Alltagsgewändern erschienen, waren die Vertreter der Zünfte, die in ihren Zeremonialgewändern kamen. Die Angehörigen der Ärzte, Balbierer, Chirurgen und Apotheker trugen hohe, spitz zulaufende Hüte und wallende Gewänder. Die Angehörigen der Gilde der Maler und Illuminatoren waren in Gewänder gehüllt, die aussahen, als wären sie nichts weiter als Segeltuch; dabei waren sie auf sehr kunstvolle Weise mit Blattgold und Farben geschmückt. Die Zunft der Färber, Walker und Lederarbeiter trug Lederschürzen mit
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