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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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bin entdeckt!« rief sie so schrill, dass ich fürchtete, ein
    sbiro könnte sie hören. »Seid Ihr sein bravot«
     
    »Nein, nein, Signora!« Ich richtete mich auf und schob die
    Kapuze zurück. Und da meine Seemannsmaske sie so
    erschreckt hatte, nahm ich auch die ab. »Ich gehöre niemand
    als Euch allein.«
     
    Die Augen ungläubig geweitet, wich sie noch einen Schritt
     
    zurück. »Ihr seid ja ein Knabe!«
    Das konnte ich zwar nicht leugnen, doch ließ es sich genauer
    bestimmen: »Mit der Erfahrung eines Mannes«, erklärte ich
    daher rasch. »Ich liebe Euch und suche nach Euch, seit ich
    Euch das erste Mal gesehen.«
     
    Ihre Augen verengten sich, um mich genauer zu betrachten.
     
    »Was macht Ihr hier?«
    »Ich habe gewartet«, entfuhr es mir, »um Euch mein Herz zu
    Füßen zu legen, meinen Arm zu Diensten anzutragen und mein
    Schicksal in Eure Hand zu legen.«
     
    Nervös blickte sie um sich. »Ich habe Pagen genug, ich möchte
     
    keinen neuen in meinen Dienst nehmen...«
    »Nicht so in Dienst nehmen!« erklärte ich. »Aus Liebe zu
    meiner Dame werde ich Ihr in alle Ewigkeit dienen!«
     
    Vielleicht hatte ich auf einen Blick gehofft, der mir bewiesen
    hätte, dass sie dahinschmolz. Doch der Blick, mit dem sie mich
    bedachte, verriet womöglich noch größere Verzweiflung. »Aber
    die Komplet ist geläutet worden«, sagte sie. »Wo ist...? Ich
    meine, habt Ihr niemand sonst hier gesehen? Seid Ihr allein?«
     
    »Nein, das ist er nicht«, sagte eine andere, eine sehr leise und
     
    gelassene Stimme.
    Ich fuhr herum und begriff, dass eine Degenspitze fast meinen
    Nacken berührte. Just in diesem Augenblick zog sie sich in den
    Nebel zurück und ließ einen Schimmer von kaltem,
    taubeperltem Stahl erahnen, als sie unter dem Mantel dessen
    verschwand, der die Klinge geführt. Ich hatte gemeint, die
    Stimme sei die von Ilarias Priester, doch Priester tragen keine
    Degen. Ehe sie oder ich noch ein Wort sagen konnten,
    murmelte die kapuzenbewehrte Gestalt:
     
    »Wie ich an Eurem Aufzug heute abend erkenne, meine Dame,
    seid Ihr eine Betrügerin. Sei's drum. Jetzt wird der Betrüger
    betrogen. Dieser junge Störenfried ersehnt sich, der bravo einer
    Dame zu sein, und ist bereit, für keinen Lohn denn Liebe zu
    arbeiten. Gewährt ihm seine Bitte und laßt dies die Buße für
    Euren Spott sein.«
     
    Ilaria schnappte nach Luft und stand im Begriff zu sagen: »Wollt
     
    Ihr damit andeuten...«
    »Ich spreche Euch frei. Euch ist bereits vergeben, was getan
    werden muß. Und sobald das größere Hindernis beseitigt ist,
    wird man mit einem kleineren leichter fertig.«
     
    Mit diesen Worten zog sich die nebelumwallte Gestalt tiefer in
    den Nebel zurück, verschmolz mit ihm und war verschwunden.
    Ich hatte keine Ahnung, was die Worte des Fremden bedeutet
    haben mochten, und begriff nur, dass er für mich gesprochen
    hatte; dafür war ich dankbar. Wieder wandte ich mich Ilaria zu,
    die mich mit einer Art reumütiger Anerkennung musterte. Sie
    steckte eine schlanke Hand in ihr Gewand, zog den domino
    hervor und hob ihn sich vor die Augen, als gälte es, darin etwas
    zu verbergen.
     
    »Ihr heißt... Marco?« Ich neigte zustimmend den Kopf und
    murmelte, ja, das stimme. »Ihr sagt, Ihr wäret mir gefolgt? Ihr
    kennt mein Haus?« Ich bekundete Zustimmung. »Kommt
    morgen dorthin, Marco. An den Dienstboteneingang. Um die
    Stunde mezza-vespro. Dass ich mich auf Euch verlassen
    kann!«
     
    Ich sollte sie nicht enttäuschen, zumindest nicht, was die Pünktlichkeit betraf. Wie befohlen, präsentierte ich mich am nächsten Nachmittag am Dienstboteneingang; aufgemacht wurde mir von einem alten Weib, das mißtrauische Augen hatte, als wüßte sie über jegliches schändliche Treiben in Venedig Bescheid, und eintreten ließ sie mich ins Haus mit einem Abscheu, dem ich entnehmen konnte, dass sie mich für der schlimmsten Bösewichter einer hielt. Sie führte mich einen Gang entlang nach oben, zeigte mit gichtigem Finger auf eine Tür und ließ mich stehen. Ich klopfte, und Dona Ilaria tat mir auf. Ich trat ein, und sie schob hinter mir den Riegel vor.
    Sie hieß mich Platz nehmen, wanderte dann vor meinem Stuhl auf und ab und bedachte mich mit fragenden und abschätzenden Blicken. Das Kleid, das sie anhatte, war mit goldfarbenen Pailletten bedeckt, die schimmerten wie die Schuppen einer Schlange. Es handelte sich um ein engsitzendes Kleid, und ihr Gang hatte etwas höchst Geschmeidiges. Hätte sie nicht ständig die

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