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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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flüsterte er: »Bravo.«
    Ich nahm an, dass er murmelnd der Auspeitschung seinen
    Beifall bekundete, die gerade in diesem Augenblick mit einem
     
    langgezogenen Pfeifton ein Ende nahm. Die Menge wurlte
    durcheinander und schickte sich an, nach Hause zu gehen.
    Meine Dame sagte: »Ja, nach der Möglichkeit will ich mich
     
    auch erkundigen. Aber jetzt« - und mit diesen Worten berührte
     
    sie den Arm des Vermummten - »kommt der, um den es geht.«
    Er zog sich die Kapuze noch tiefer ins Gesicht und entfernte
    sich mit der Menge von ihr. Zu ihr trat ein anderer Mann, ein
    grauhaariger, rot-gesichtiger Herr in ebenso feiner Kleidung wie
    sie -vielleicht ihr wirklicher Vater, dachte ich -, der sagte: »Ah,
    hier bist du, Ilaria. Wie haben wir getrennt werden können?«
     
    Es war das erste Mal, dass ich ihren Namen hörte. Gemeinsam
    mit dem älteren Mann ging sie schlendernd davon, wobei sie
    angeregt davon redete, »wie fabelhaft die Auspeitschung war,
    und was für ein schöner Tag dafür«, und machte andere
    ähnliche typisch weibliche Bemerkungen. Ich blieb weit genug
    hinter ihnen zurück, dass ich nicht auffiel, folgte ihnen aber
    gleichwohl so unbeirrt, als würde ich an einem Strick von ihnen
    hinterhergezogen. Ich fürchtete, dass sie nur bis zum Wasser
    hinunter gehen und dort in das batelo des Mannes oder eine
     
    gondola steigen würden. Wäre das geschehen, wäre es mir schwergefallen, ihr auch weiterhin zu folgen. Jeder in der Menge, dem kein solches Fahrzeug gehörte, stritt mit den anderen, eines zu mieten. Doch Ilaria und ihr Begleiter wandten sich in die entgegengesetzte Richtung, das heißt, sie gingen über die Piazzetta hinweg zur Hauptpiazza, wobei sie der Menge möglichst aus dem Wege gingen, indem sie sich dicht an der Wand des Dogenpalastes hielten.
    Ilarias prächtiges Gewand streifte die Schnauzen der löwenähnlichen Marmormasken, die in Hüfthöhe aus der Palastwand hervortreten. Dabei handelt es sich um das, was wir Venezianer die musi da denonzie secrete nennen, wobei es für jede Art von Verbrechen eine besondere ›Schnauze‹ gibt: für Schmuggelei, Steuerhinterziehung, Wucher, Verschwörung gegen den Staat und so weiter. Die Schnauzen weisen als Maul Schlitze auf, und auf der anderen Seite -im Palastinneren hocken die Agenten der Quarantia wie die Spinnen, die nur darauf warten, dass ein Spinnwebfaden zuckt. Sie brauchen von einem Alarm bis zum anderen nicht lange zu warten. Diese Schlitze im Marmor sind im Laufe der Jahre immer weiter und glatter geworden, dazu haben ungezählte Hände namenlose Botschaften hineingesteckt, auf denen Feinden, Gläubigern, Liebhabern, Nachbarn, Blutsverwandten und sogar Wildfremden irgendwelche Verbrechen angehängt wurden. Da die Beschuldiger anonym bleiben und Vorwürfe auch ohne Beweise vorbringen können, und da das Gesetz nur wenig Zugeständnisse in Hinblick auf Bosheit, Verleumdung, Ärger und Böswilligkeit macht, ist es am Beschuldigten, die Beschuldigungen als grundlos zu entlarven. Das ist nicht leicht und gelingt auch nur selten.
    Der Mann und die Frau umrundeten zwei Seiten des arkadengesäumten Platzes, wobei ich ihnen immer dicht auf den Fersen blieb, um ihrer ziemlich zusammenhanglosen Unterhaltung zu folgen. Dann betraten sie eines der Häuser, die unmittelbar an der Piazza standen, und dem Gebaren des Dienstboten nach zu urteilen, der ihnen aufmachte, waren sie dort zu Hause. Diese Häuser im Herzen der Stadt tragen außen keineswegs irgendwelchen reichen Schmuck und werden auch nicht Palazzi genannt. Sie heißen vielmehr ihrer äußeren Schönheit wegen, die nichts über den Reichtum ihrer Bewohner
    -die zu den ältesten und vornehmsten Familien Venedigs gehören -verraten, stumme Hausen. Aus diesem Grunde will auch ich stumm bleiben in bezug darüber, bis zu welchem Haus ich Ilaria folgte, um nicht Gefahr zu laufen, den Namen dieser Familie mit Schande zu bedecken.
    Im Laufe dieser kurzen Beschattung erfuhr ich noch zwei Dinge. Aus den Fetzen ihrer Unterhaltung ging selbst für mein einfältiges Gemüt hervor, dass es sich bei dem grauhaarigen Mann nicht um Ilarias Vater, sondern um ihren Ehemann handelte.
    Das versetzte mir einen gewissen Stich, doch tröstete ich mich mit der Überlegung, dass eine junge Frau mit einem alten Gatten den Aufmerksamkeiten eines jüngeren Mannes, wie ich es einer bin, gegenüber eigentlich empfänglich sein sollte.
    Was ich sonst noch mitbekam, war dasjenige, was sie über die festa redeten,

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