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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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das offizielle Staatsgefängnis von Venedig, doch nennen die Insassen den Turm ganz anders. Das Gefängnis wird so genannt, wie unsere Vorfahren die Flammengrube nannten, ehe das Christentum sie lehrte, diese Hölle zu nennen. Das Gefängnis heißt vukano.
    Mitten aus dem strahlend rosa-und bernsteinfarbenen Morgen wurde ich herausgerissen und in eine orba geworfen, was sich vielleicht nicht sonderlich schlimm anhört, es sei denn, es bedeutet »geblendet«. Eine orba ist eine Zelle, gerade groß genug, dass ein einzelner Mensch Platz darin hat, ein Steingeviert ohne Bank noch Stuhl und ohne auch nur die kleinste Öffnung, die Licht oder Luft hereingelassen hätte. Da stand ich in absoluter Finsternis auf so engem Raum, dass man das Gefühl hatte, ersticken zu müsseen; und es stank pestilenzialisch. Der Boden war fausthoch bedeckt mit einem klebrigen Brei, und meine Füße gaben schmatzende Laute von sich, sobald ich sie bewegte. Infolgedessen unternahm ich nicht einmal den Versuch, mich niederzusetzen. Die Mauern waren mit einem schwammigen Schleim bedeckt, der sich bei Berührung zusammenzuziehen schien. Folglich lehnte ich mich nicht einmal dagegen; und als ich des Stehens müde wurde, ging ich nur in die Hocke. Schmerz durchzuckte mich, als mir nach und nach aufging, wo ich war und was aus mir geworden war. Ich, Marco Polo, Sohn des Ene-Aca-Hauses Polo, ich, der ich einen Namen trug, der ins Libro d'Oro eingetragen war - bis vor kurzem ein freier Mann, ein sorgloser Jüngling, dem es freistand, durch die ganze Welt zu streifen, wenn ihm der Sinn danach gestanden hätte -, ich steckte im Kerker, entehrt, verachtet und in ein Loch gesperrt, das nicht einmal eine Ratte aus freien Stücken bewohnt hätte. Ach, wie ich weinte.
    Ich weiß nicht, wie lange ich in dieser blinden Zelle saß. Mindestens jedoch den Rest dieses Tages, wenn es auch zwei oder drei Tage gewesen sein können, denn wiewohl ich mir größte Mühe gab, meine vor Angst rumorenden Eingeweide unter Kontrolle zu behalten, ich erhöhte mehrere Male den Brei auf dem Boden. Als schließlich eine Wache kam, mich hinauszulassen, nahm ich an, dass man mich als unschuldig freiließ, und so frohlockte ich innerlich. Selbst wenn man mich für schuldig befunden hätte, den designierten Dogen erdolcht zu haben, ich war überzeugt, genug dafür gebüßt zu haben, so groß war meine Zerknirschung, und so sehr hatte ich geschworen, alles zu bedauern. Freilich, mein Frohlocken wurde erstickt, als die Wache mir sagte, ich hätte erst die erste und vermutlich geringste der Bestrafungen hinter mir -dass die orba nur ein Ort des vorübergehenden Gewahrsams sei, in der ein Gefangener bis zu einer ersten Befragung festgehalten
    wird. So wurde ich denn vor ein Tribunal gebracht, das Signori della Notte, ›Herren der Nacht‹, genannt wird. Irgendwo in einem der höher gelegenen Räume des vulcano mußte ich vor einem langen Tisch Aufstellung nehmen, hinter dem acht ernst dreinblickende ältere Männer in schwarzen Gewändern saßen. Ich wurde so hingestellt, dass ich ihrem Tisch nicht zu nahe kam, und die beiden Wachen links und rechts von mir kamen mir gleichfalls nicht zu nahe; ich muß genauso entsetzlich gestunken haben, wie ich mir vorkam. Und wenn ich auch noch so grauenhaft aussah, muß ich wahrhaftig ausgesehen haben wie der Inbegriff eines niedrigen und tierischen Verbrechers.
    Die Signon della Notte wechselten einander ab, mir zunächst ein paar harmlose Fragen zu stellen: wie ich hieße und wie alt ich sei, wo ich wohnte, und dann Einzelheiten aus der Geschichte meiner Familie und dergleichen. Dann sagte einer von ihnen und bezog sich dabei auf ein vor ihm liegendes Stück Papier: »Es müssen noch viele andere Fragen gestellt werden, ehe wir zur Verurteilung kommen. Doch dies e Befragung muß verschoben werden, bis ein Bruder der Gerechtigkeit beauftragt worden ist, als Euer Advokat zu füngieren; denn Ihr werdet eines Verbrechens beschuldigt, auf das die Todesstrafe steht...«
    Beschuldigt - Ich war dermaßen vor den Kopf geschlagen, dass ich das meiste dessen, was der Mann hinterher noch sagte, nicht mitbekam. Nur Doris oder Ubaldo konnten mich beschuldigen, denn nur sie wußten, dass ich je in der Nähe des Ermordeten gewesen war. Doch wie sollte einer von ihnen das so rasch getan haben? Und wen hatten sie bewegen können, die Denunziation aufzuschreiben, damit sie sie in eine der Schnauzen hatten hineinstecken können?
    Der ältere Herr schloß seine Rede

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