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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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bruchstückhaft und verworren. Allerdings schien es derjenige von den Priestern zu sein, der ein goldenes Weihrauchgefäß geschwenkt und dann unversehens statt dessen etwas Silbriges geschwungen hatte. Sodann sank langsam Ilarias Gatte in mein Blickfeld, machte den Mund auf und würgte etwas hervor, das bei diesem Licht schwarz aussah. Ich hatte ihm nichts getan, wohl aber war ihm etwas geschehen. Er wankte
    und fiel gegen die anderen Männer in der gedrängt stehenden
     
    Gruppe, und er und zwei andere fielen zu Boden.
    Dann legte sich mir eine harte Hand auf die Schulter, von der
    ich mich freilich losriß; der Schwung dieser Bewegung trug mich
    heraus aus dem Mittelpunkt des Tumultes. Während ich mich
    durch die Reihen der Außenstehenden drängte und ein paar
    von ihnen dabei anrempelte, dass sie mir Platz machten, ließ
    ich meine Degenscheide ein zweites Mal fallen, blieb jedoch
    keinen Moment stehen. Ich war von Panik ergriffen und konnte
    an nichts anderes denken als daran, die Beine in die Hand zu
    nehmen. Hinter mir hörte ich erstaunte und empörte Rufe, doch
    hatte ich mich mittlerweile ein ganzes Stück von den vielen
    Fackeln und Kerzen entfernt und war eingehüllt von Nebel und
    Dunkel.
     
    Ich lief weiter die Uferböschung entlang, bis ich zwei neue
    Gestalten vor mir im nebligen Dunkel auftauchen sah. Ich hätte
    ausweichen können, doch erkannte ich, dass es sich um die
    Gestalten von Kindern handelte, die sich nach wenigen
    Augenblicken als Ubaldo und Doris Tagia-bue entpuppten. Mir
    fiel ein Stein von der Seele, endlich jemand vor mir zu haben,
    den ich kannte -und noch nicht erwachsen war. Ich versuchte,
    ein frohes Gesicht aufzusetzen, zog dabei jedoch vermutlich
    eine Grimasse; trotzdem begrüßte ich sie äußerst fröhlich:
     
    »Doris, du bist immer noch sauber geschrubbt.«
     
    »Was man von dir nicht behaupten kann«, sagte sie und zeigte
    auf mich.
    Ich sah an mir herunter. Die Vorderseite meines Umhangs war
     
    vollgesogen mit mehr als caligo-Nebel. Sie war mit
     
    leuchtendrotem Blut bespritzt.
    »Und im Gesicht bist du bleich wie ein Grabstein«, sagte
    Ubaldo. »Was ist geschehen, Marco?«
     
    »Ich bin... ums Haar wäre ich zu einem bravo geworden«, sagte
    ich, und fast hätte mir die Stimme versagt. Sie starrten mich an,
    und ich erklärte es. Es tat gut, es jemand zu erzählen, der mit
    der ganzen Sache nichts zu tun hatte. »Meine Dame hat mich
    ausgeschickt, einen Mann zu erschlagen. Aber ich meine, er ist
     
    gestorben, ehe ich es habe tun können. Ein anderer Feind muß
    mir zuvorgekommen sein -oder aber einen bravo in Dienst
    genommen haben.«
     
    »Du glaubst, er ist tot?« rief Ubaldo aus.
    »Es geschah ja alles auf einmal. Ich mußte fliehen.
    Wahrscheinlich werde ich nicht erfahren, was wirklich
     
    geschehen ist, bis die Ausrufer von der Nachtwache es
    verkünden.«
    »Und wo war das?«
    »Dahinten, wo der tote Doge gerade auf seine Barke gehoben
     
    wird. Oder vielleicht ist es noch nicht geschehen. Es ist ja ein
     
    Riesendurcheinander.«
    »Ich könnte hinlaufen und nachsehen. Ich kann es dir schneller
    sagen als ein Ausrufer.«
     
    »Ja«, sagte ich. »Aber sieh dich vor, Boldo. Sie werden jeden
     
    Fremden verdächtigen.«
    Er lief in die Richtung, aus der ich gekommen war, und Doris
    und ich nahmen auf einem Poller am Wasser Platz. Ernst
    blickte sie mich an,
     
    und dann sagte sie: »Der Mann war der Gatte der Dame.« Zwar
    hatte sie es nicht als Frage formuliert, doch ich nickte stumm.
    »Und du hoffst, seinen Platz einzunehmen.«
     
    »Das habe ich bereits«, erklärte ich so prahlerisch, wie ich es in
    diesem Augenblick fertigbrachte. Doris schien
    zusammenzufahren, und so fügte ich wahrheitsgemäß hinzu:
    »Einmal jedenfalls.«
     
    Dieser Nachmittag schien jetzt in weiter Ferne zu liegen, und im
    Moment verspürte ich nicht das geringste Verlangen, ihn zu
    wiederholen. Sonderbar, dachte ich bei mir, wie Angst die Glut
    eines Mannes ersticken kann. Denn selbst wenn ich jetzt in
    Ilarias Gemach wäre, und sie wäre nackt und lächelte
    einladend, ich könnte einfach nicht...
     
    »Kann sein, dass du in Teufels Küche kommst«, ließ Doris sich
    vernehmen, woraufhin bei mir auch noch der Rest der Glut
    erlosch.
     
    »Das glaube ich nicht«, sagte ich, mehr in dem Bemühen, mich
    selbst zu überzeugen als das Mädchen. »Ich habe weiter nichts
    Schlimmes getan, als zu sein, wo ich nicht hingehörte.
    Außerdem bin ich entschlüpft, ohne

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