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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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denken, dass Ihr meint,
    ich bliebe eine lange Zeit hier.«
    »Nein.« Er seufzte. »Wahrscheinlich nicht lange.«
     
    Was er mit dieser Antwort andeutete, ließ mir die Haare zu
    Berge stehen. »Und ich sage Euch nochmals, ich bin
    unschuldig, alter Narr.«
     
    Woraufhin er nicht minder laut und verächtlich antwortete:
    »Warum mir das sagen, unglückseliger mamzarl Erzählt das
    doch den Signori della Notfei Auch ich bin unschuldig -und
    trotzdem sitze ich hier und verfaule bei lebendigem Leib.«
     
    »Moment! Ich hab' eine Idee«, sagte ich. »Wir schmachten hier
    beide wegen der Lügen und Intrigen der Dame Ilaria. Wenn wir
    das beide zusammen den Signori erzählen, müßten sie doch
    mißtrauisch werden, was ihre Glaubwürdigkeit und ihre
    Wahrheitsliebe betrifft.«
     
    Zweifelnd schüttelte Mordecai den Kopf. »Wem würden sie
    glauben? Sie ist die Witwe eines Mannes, der ums Haar Doge
    geworden wäre. Ihr seid jemand, der des Mordes angeklagt ist,
    und ich einer, der wegen Wucher verurteilt wurde.«
     
    »Ihr mögt recht haben«, sagte ich, und aller Mut sank mir. »Ein
     
    Jammer, dass Ihr Jude seid.«
    Er faßte mich scharf in sein keineswegs trübes Auge und
    erklärte: »Das sagt man mir immer wieder. Warum tut Ihr das?«
     
    »Ach... nur, dass man dem Zeugnis eines Juden von
     
    vornherein weniger glaubt.«
    »Das habe ich schon oft erfahren müssen. Und ich frage mich,
    warum?«
     
    »Nun... weil ihr unseren Herrn Jesus umgebracht habt.«
    Er schnaubte und sagte: »Ich -was Ihr nicht sagt!« Wie
    angewidert von mir, wandte er mir den Rücken zu, streckte sich
    auf seiner Pritsche aus und zog sein wallendes Gewand um
     
    sich. Dann murmelte er, an die Wand gerichtet: »Ich habe nur
    zwei Worte zu dem Mann gesagt... zwei Worte nur...«
    Dann schlief er offenbar ein.
    Nachdem eine lange und bedrückende Zeit vergangen und das
     
    Loch in der Tür dunkel geworden war, wurde diese schließlich
    geräuschvoll aufgeschlossen; zwei Wachen krochen hindurch
    und schleppten einen großen Kübel herein. Der alte Cartafilo
     
    hörte auf zu schnarchen und setzte sich erwartungsvoll auf. Die
    Wächter drückten ihm wie mir ein Holzbrett in die Hand und
    klatschten aus dem Kübel einen klebrigen, lauwarmen Brei
    darauf. Dann ließen sie ein schwaches Lämpchen zurück, ein
    Schälchen Fischtran, in dem blakend ein Lumpendocht glomm,
    gingen zurück und knallten die Tür hinter sich zu. Zweifelnd
    blickte ich unser Essen an.
     
    »Grütze«, erklärte Mordecai mir gierig und stopfte sie sich mit
    zwei Fingern in den Mund. »Ist zwar ein Holosh, aber Ihr tätet
    gut daran, sie zu essen. Es ist die einzige Mahlzeit am Tag, die
    wir bekommen. Sonst bekommt Ihr nichts.«
     
    »Ich habe keinen Hunger«, sagte ich. »Ihr könnt meine haben.«
    Fast hätte er sie mir entrissen, und schmatzend verzehrte er
    beide Portionen. Nachdem er das getan hatte, setzte er sich hin
    und saugte geräuschvoll an den Zähnen, als wolle er sich nicht
     
    das geringste entgehen lassen. Unter schorfigen Brauen hervor
    blickte er mich an und sagte schließlich:
    »Was würdet Ihr für gewöhnlich zu Abend essen?«
    »Nun... vielleicht einen Teller tagiadele mit persuto... und zum
     
    Trinken einen zabagion...«
    »Bongusto«, sagte er sardonisch. »Mit so feinen Dingen kann
    ich zwar nicht aufwarten, aber vielleicht mögt Ihr einige von
    diesen.« Bei diesen Worten fuhr er suchend in seinem Gewand
    herum. »Die tolerante venezianische Gesetzgebung gestattet
    es mir, selbst im Gefängnis ein paar religiöse Dinge zu
    beachten.« Mir war unerfindlich, was das mit dem viereckigen
    weißen Gebäck zu tun hätte, das er zum Vorschein brachte und
     
    mir reichte. Gleichwohl aß ich es dankbar, obwohl es eigentlich
    nach nichts schmeckte, und ich dankte ihm.
    Als am nächsten Abend Essenszeit war, hatte ich einen
     
    solchen Hunger, dass ich nicht mehr wählerisch war. Vermutlich
    hätte ich die Gefängnisgrütze auch gegessen, weil sie so etwas
    wie Abwechslung bedeutete, denn sonst gab es nichts zu tun
    als dazusitzen, auf einer Pritsche ohne jedes Bettzeug zu
    schlafen, die zwei oder drei Schritte zu machen, welche die
    Zelle zu machen erlaubte, und sich gelegentlich mit Cartafilo zu
     
    unterhalten. Aber genau so vergingen die Tage, einer nach dem anderen, unterbrochen nur durch das Hell-und Dunkelwerden des Türlochs, das täglich dreimalige Gebet des zudio und die Ankunft des abscheulichen Essens am Abend.
    Vielleicht war das

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