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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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seiner Krieger mußten die gesamte riesige Weite Asiens durchqueren; sie waren zahlenmäßig viel zu stark, als daß sie von dem Land hätten leben können -entweder durch Plünderung oder durch Beschlagnahme von Nahrungsmitteln. Nein, sie führten Samen zum Aussäen mit und Tiere, die sich unterwegs vermehrten. Jedesmal, wenn sie so weit vorgedrungen waren, wie ihre Vorräte es ihnen erlaubten und der Nachschub sie nicht mehr erreichen konnte, machten sie einfach halt und siedelten. Sie säten ihr Getreide und ihre Bohnen aus, züchteten ihre Pferde und Rinder und warteten Ernte und Kalben ab. Waren sie dann wieder wohlgenährt und ausreichend mit Proviant versorgt, zogen sie weiter bis zum nächsten Ziel.«
    »Und ich habe gehört, daß sie jeden zehnten ihrer Männer
    aufgegessen hätten« sagte ich. »Unsinn!« erklärte mein Onkel unwirsch. »Welcher Heerführer wäre denn so dumm, seine eigenen Heere zu dezimieren? Da wäre es doch genauso vernünftig gewesen, wenn er ihnen befohlen hätte, ihre Schwerter und Speere aufzuessen. Außerdem wären die Waffen kaum weniger genießbar gewesen. Ich hab' so meine Zweifel, daß selbst ein Mongole so gute Zähne hat, die es ihm erlauben, einen anderen zähen Mongolenkrieger zu zerbeißen. Nein, sie machten halt, säten und ernteten, setzten sich wieder in Bewegung und machten wieder halt.«
    »Und das nannten sie den Drei-Bohnen-Marsch«, sagte mein Vater. »Woraus übrigens einer ihrer Kriegsschreie entstanden ist. Jedesmal, wenn Mongolenkrieger in eine feindliche Stadt eingedrungen sind, haben sie gerufen: ›Das Heu ist geschnitten! Gebt unseren Pferden Futter!‹ Das war das Signal
    für die Horde, jede Zucht fahrenzulassen und zu plündern, zu
    vergewaltigen, zu rauben und abzuschlachten. Auf diese Weise
    zerstörten sie Taschkent und Buchara und Kiew und so
    manche andere große Stadt. Als die Mongolen Herat im fernen
    Indien einnahmen, schlachteten sie bis auf den letzten Mann
    nahezu alle zwei Millionen Einwohner ab. Das sind zehnmal so
    viele Menschen, wie in Venedig leben - Allerdings -eine solche
    Verminderung von Bewohnern ist in Indien kaum
    erwähnenswert.«
     
    »Der Drei-Bohnen-Marsch scheint sich zu lohnen«, räumte ich
     
    ein. »Nur geht er wohl unglaublich langsam vonstatten.«
    »Wer durchhält, gewinnt«, erklärte mein Vater. »Immerhin hat
    dieses langsame Vorrücken die Mongolen bis an die Grenzen
    Polens und Rumäniens gebracht.«
     
    »Und auch bis hierher«, fügte mein Onkel hinzu. Just in diesem
    Moment kamen wir an zwei Männern von recht dunkler
    Hautfarbe vorüber, deren Kleidung ganz aus Tierfellen zu
    bestehen schien und offensichtlich viel zu schwer und heiß für
    dieses Klima war. Onkel Mafio grüßte sie mit einem: »Sain
    bina.«
     
    Beide machten ein leicht verdutztes Gesicht, doch einer von
    ihnen antwortete: »Mendu, sain bina!«
    »Was für eine Sprache war denn das?« fragte ich.
     
    »Mongolisch«, sagte mein Onkel. »Das sind Mongolen.«
    Erst starrte ich ihn an, dann drehte ich mich um und starrte die
    beiden an. Auch sie gingen mit rückwärtsgewandtem Kopf
    weiter und sahen uns verwundert an. In den Straßen von Acre
    wimmelte es von so vielen Menschen mit fremdländischen
    Gesichtszügen, anderer Hautfarbe und exotischer Kleidung,
    daß ich bis jetzt keine Unterschiede zwischen ihnen machen
    konnte. Das jedoch waren Mongolen. Angehörige der orda, der
    Horde -das war der Schrecken meiner Kindheit? Das
    Verderben der Christenheit, die Erzbedrohung der
    abendländischen Zivilisation'' Aber sie hätten ja genausogut
    venezianische Kaufleute sein können, die ein »bon zorno« mit
    uns wechselten, da wir uns alle miteinander gesellig auf der
     
    Riva Ca' de Dio ergingen' Selbstverständlich sahen sie nicht aus wie venezianische Kaufleute, denn die Augen dieser beiden Männer schauten aus schmalen Sehschlitzen aus Gesichtern heraus, deren Haut tiefbraun gegerbtem Leder glich...
    »Das sind Mongolen?« sagte ich und dachte an die vielen Meilen und die Millionen Leichen, die sie auf ihrem Weg ins Heilige Land hinter sich gebracht haben mußten. »Was machen die denn hier?«
    »Keine Ahnung«, erklärte mein Vater. »Aber ich meine, das
    werden wir bald erfahren.« »Genauso wie in Konstantinopel«, sagte mein Onkel, »scheint es auch hier in Acre zumindest ein paar Angehörige eines jeden Volkes auf Erden zu geben. Dort drüben geht ein Schwarzer -entweder ein Nubier oder ein Äthiopier. Und die Frau da ist gewißlich

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