Marco Polo der Besessene 1
Mein Vater lehnte diese Behandlung genauso ab wie ich. Ich hatte mir an diesem Tag bereits jenes flaumige Barthaar abrasiert, das ich damals noch hatte; alles andere Haar am Körper gedachte ich zu behalten. Onkel Mafio hingegen überlegte einen Moment und sagte den Dienern dann, sie sollten ihn von dem Haar auf seiner Artischocke befreien, Brust-und Barthaar jedoch ungeschoren lassen. Woraufhin zwei der Männer -und zwar die jüngsten und hübschesten -sich an diese Aufgabe machten. Sie salbten den Bereich seines Schrittes mit einem hellbraunen Salböl, woraufhin das dicke Haarbüschel dort sich auflöste und wie Rauch verschwand. Es dauerte nicht lange, und er war an dieser Stelle genauso kahl wie Doris Tagiabue.
»Dieses Salböl ist ein Zaubermittel«, sagte er bewundernd und blickte an sich herunter.
»Das ist es in der Tat, Scheich Polo«, sagte einer der jungen
Männer lüstern lächelnd. »Dadurch, daß das Haar
verschwunden ist, ist Euer zab viel besser zu sehen und sticht
so deutlich und hübsch ab wie ein Kriegsspeer. Eine
regelrechte Fackel, Eurer Geliebten in der Nacht den Weg zu
Euch zu weisen. Ein Jammer, daß der Scheich nicht
beschnitten ist, so daß die leuchtende Pflaume auf dem zab
freiliegt zum Bewundern und zum...«
»Genug davon! Sag mir, kann man dieses Salböl kaufen?«
»Gewiß. Ihr braucht es mir nur zu befehlen, Scheich, und ich
laufe zur Apotheke, um eine frische Dose mumum zu holen.
Oder auch viele Dosen.«
Mein Vater sagte: »Siehst du etwas darin, womit man Handel
treiben könnte, Mafio? Ich meine nur, es gäbe in Venedig
keinen großen Markt dafür. Einem Venezianer ist auch noch
der letzte Flaum auf seinem Pfirsich kostbar.«
»Aber wir ziehen doch gen Osten, Nico. Vergiß nicht, viele von
den Angehörigen der Völkerschaften im Osten betrachten
Körperbehaarung als einen Makel -und zwar Männer wie
Frauen. Sofern dieses mumum hier nicht allzuviel kostet,
könnten wir es dort mit erklecklichem Gewinn verkaufen.«
Woraufhin er sich seinem Einreiber zuwandte und sagte: »Bitte,
hör auf mit dem Gefummele und mach weiter mit dem Baden.«
So wuschen die Männer uns von Kopf bis Fuß und
verwendeten dabei eine cremige Seife, wuschen uns die Haare
und den Bart mit duftendem Rosenwasser und trockneten uns
mit großen flauschigen, nach Moschus riechenden
Badetüchern. Nachdem wir wieder angezogen waren, reichten
sie uns kühle Getränke aus gesüßtem Zitronensaft-Sorbet,
damit unsere innere Feuchtigkeit wiederhergestellt würde, die
uns durch die Hitze inzwischen völlig ausgetrieben worden war.
Beim Verlassen des hamman fühlte ich mich sauber wie nie
zuvor in meinem Leben und war den Arabern für die Erfindung
dieser Einrichtung von Herzen dankbar. Ich sollte mich ihrer
fürderhin häufig bedienen, und das einzige, worüber ich mich
beschweren könnte, wäre, daß so viele Araber selbst Schmutz
und Gestank der in einem solchen hamman zu erwerbenden
Sauberkeit vorzogen. Wirt Ishaq hatte, was das Essen des khane betrifft, durchaus nicht übertrieben; allerdings bezahlten wir, daß er uns mit Nektar und Ambrosia hätte laben können. Am ersten Abend gab es mit Pistazien gefülltes Lamm, dazu Reis und ein Gericht aus in Streifen geschnittenen und mit Zitronensaft beträufelten Gurken. Zum Nachtisch gab es Konfekt aus kandiertem, mit geraspelten Mandeln vermischtem und außerordentlich appetitlich duftendem Granatapfelbrei. Alles war überaus wohlmundend, doch am besten schmeckte mir das Getränk, das zu allem gereicht wurde. Ishaq erzählte mir, es handele sich um einen Aufguß aus roten Beeren, der kawa genannt wurde. Dieses arabische Wort bedeutet Wein, doch das ist kawa nicht, denn Weingenuß ist den Arabern von ihrer Religion her verboten. Nur in seiner Farbe hatte kawa Ähnlichkeit mit dem Wein: das Getränk war von tiefem Granatrot wie etwa ein schön gereifter Barolo aus Piemont; nur besitzt er nicht das kräftige Aroma eines Barolo und hat auch nicht die für diesen Wein typische veilchenhafte Blume. Auch ist kawa weder süß noch sauer wie manche andere Weine. Es berauscht auch nicht wie unser Wein und macht einem auch nach dem Genuß am nächsten Tag kein Kopfweh. Gleichwohl erfreut er das Herz und befeuert die Sinne; ein paar Glas kawa, so vertraute Ishaq mir an, setzen einen Reisenden oder einen Krieger instand, stundenlang zu marschieren oder zu kämpfen, ohne im geringsten zu ermüden.
Das Mahl wurde auf einem Tuch
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