Marcos Verlangen
sagen“, widersprach er heftig, „denn so leuchtet endlich wieder ein kleiner Hoffnungsschimmer vor mir auf. Ich habe dich eine ganze Woche nicht gesehen, Ella, ist dir das eigentlich klar? Eine ganze Woche - das ist schauderhaft lange.“
Wieder lachte sie. „Wie poetisch du bist. Ich hatte schon fast befürchtet, du könntest mich in der Zwischenzeit vergessen haben. Ich bin schließlich ziemlich lang in der Versenkung verschwunden.“
„Ich weiß, ich habe jede einzelne Minute davon schmerzhaft gespürt und bin vor Sehnsucht fast gestorben. Von vergessen kann also keine Rede sein.“
„Wie schön, dass du das sagst.“
„Ich sage es, weil es die Wahrheit ist. – Ella, wann sehe ich dich endlich wieder? Und überlege es dir gut, ob du auch jetzt wieder auf Abstand gehen willst, denn wenn du wieder damit anfängst, ich schwöre dir, dann weiß ich nicht, was ich tue! Ich…“
„Nein! Nein, Marco“, unterbrach sie ihn leise, „kein Abstand mehr, und kein Warten mehr! Du hast mir auch gefehlt, mehr als du dir vorstellen kannst, also wann und wo?“
„Komm dieses Wochenende zu mir! Bitte, Ella!“
Sie zögerte einen Augenblick und ihm wurde eiskalt.
Nein! Nicht schon wieder!
Doch dann hörte er, wie sie sich räusperte.
„Ja, ich komme zu dir, Marco“, antwortete sie dann leise. „Egal, wo du bist, sag mir nur noch, wohin.“
Ein ganzes Wochenende
„Oh mein Gott!“, entfuhr es Ella beeindruckt, als sie am späten Samstagvormittag vor seinem sogenannten „bescheidenen Zuhause“ aus dem Auto stieg.
Sie hatte bereits befürchtet, sie könnte sich verfahren haben, als die von Marco beschriebene Abzweigung einfach nicht kommen wollte und auch ihr Navigationssystem in verdächtiges Schweigen verfallen war. Schließlich aber hatte sie die richtige Abfahrt von der Hauptstraße gefunden und war dem schmalen, zwischen üppigen Tamariskenbüschen versteckten Weg gefolgt, bis sie von einem hohen, schmiedeeisernen Tor zum Halten gezwungen wurde. Rechts und links davon erstreckte sich eine übermannshohe Backsteinmauer, deren Ende weder nach der einen noch der anderen Seite hin sichtbar war. Unschlüssig war sie einen Moment zögernd stehen geblieben, doch plötzlich begann die Warnleuchte auf einer der Säulen zu blinken und die Torflügel öffneten sich lautlos. Sie war der stummen Einladung nachgekommen und dem mit Kopfstein gepflasterten Pfad gefolgt, der sie in einigen Windungen durch ein parkähnliches Grundstück führte. Hier öffnete sich plötzlich und unerwartet eine Lichtung, in deren Mitte auf einer kleinen Anhöhe, umgeben von einem fantastisch angelegten Garten, ein Haus stand.
Ein Haus! Sie schüttelte ungläubig den Kopf.
Marco hatte ihr zwar gesagt, dass er „auf dem Land“ wohne und das Stadthaus nur gekauft habe, weil seine Frau seinerzeit darauf bestanden hatte. Trotz ihres Drängens hatte er „die alte Hütte“, wie er es genannt hatte, nie verkauft und als sie ihn verließ, hatte er das Haus stattdessen renovieren lassen. Das alles hatte sie erfahren, nachdem sie zugesagt hatte, ihn übers Wochenende zu besuchen. Er hatte ihr die Anfahrt beschrieben und ihr die Adresse gegeben, damit sie sie in ihr Navi einprogrammieren konnte.
Er hatte sie allerdings nicht darauf vorbereitet, was sie erwartete.
Die alte Hütte auf dem Land war nichts anderes als der vollendete Wohnsitz alten Landadels. Ein symmetrischer, rechteckiger Bau mit den klassischen drei Etagen, den charakteristischen Kaminen der Gegend, den typischen, hohen Fenstern im ersten Stock und den kleinen quadratischen unter dem Dach, mit einem riesigen Eingangsportal in der Mitte der Vorderfront und zwei flachen, lang gestreckten Anbauten rechts und links. Im ersten Stock über der Eingangstür prangte ein kleiner Balkon mit kunstvoll verziertem Geländer.
In dem Moment, als Ella aus dem Auto stieg und fassungslos und überwältigt nach Luft rang, öffnete sich temperamentvoll einer der beiden Flügel des Eingangsportals und Marco stürmte heraus, nahm auf dem Weg zu ihr zwei Stufen der breiten Eingangstreppe auf einmal und riss sie förmlich in seine Arme.
Ella sah ihn auf sich zu kommen und war unfähig, sich zu rühren. Er trug nur ein einfaches, hellblaues Poloshirt und knackige schwarze Jeans. Gerade diese Schlichtheit in Verbindung mit seinem Aussehen war es, was ihr buchstäblich den Atem raubte. Er sah unverschämt gut aus und unter dem leichten Stoff des Shirts traten seine ausgeprägten
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