Marcos Verlangen
Muskeln deutlich hervor.
Einen Moment lang fragte sie sich, ob sie nicht vielleicht immer noch Fieberfantasien hatte und in Wahrheit schlafend in ihrem Bett lag und träumte. Doch als sie sich dann unvermittelt in einer Umarmung wiederfand, die an Intensität nichts zu wünschen übrig ließ, wurde ihr klar, dass sie weder träumte noch fantasierte. Die Situation war sogar äußerst real.
„Endlich, ich hatte schon befürchtet, du würdest vielleicht doch nicht kommen!“, stieß er an ihrem Ohr hervor, ehe er sie zur Begrüßung auf beide Wangen küsste.
Ella schwieg verlegen und befreite sich schließlich sanft aus seiner Umarmung.
„Hast du die Adresse problemlos gefunden?“, erkundigte er sich, ehe er ihr die Reisetasche aus der Hand nahm.
Sie nickte wortlos.
„Was ist los mit dir? Hast du deine Sprache in Ferrara vergessen?“ neckte er sie nun, als ihm ihre Befangenheit bewusst wurde.
„So ungefähr. Warum hast du mir nicht gesagt, dass du in einem alten Herrschaftshaus wohnst?“
„Weil das nicht mein Verdienst ist und weil ich finde, dass es angeberisch klingt. Wer es wissen soll, der weiß es und das sind nicht gerade viele. Ich nehme mal an, auch Google hat nicht viel darüber ausgespuckt.“
„Nein, davon stand nichts im Internet.“
„Gut so“, nickte er zufrieden, während er sie bei der Hand nahm und die Treppe hinauf führte.
Erst jetzt fielen Ella die winzigen Kameras auf, die über dem Eingang, an den Hausecken und verschiedenen anderen Stellen des Vorgartens installiert waren. Noch immer war ihr nicht zum Reden zumute und sie fragte sich, ob sie überhaupt gekommen wäre, wenn sie gewusst hätte, was sie erwartete.
Als die schwere Türe hinter ihnen ins Schloss fiel, fuhr sie herum, doch Marco ließ ihre Hand nicht los. Er stellte ihre kleine Reisetasche achtlos im Eingangsbereich ab, wandte sich zu ihr und zog sie an sich.
„Lass dich erst mal anständig begrüßen“, murmelte er an ihrem Mund. Er machte keinerlei Versuch mehr, seinen Hunger und seine Lust auf sie zu verbergen und Ella fragte sich einen unbehaglichen Atemzug lang, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, seine Einladung anzunehmen. Was wusste sie schon von ihm?
Gar nichts, musste sie zugeben. Und wie durch Zauberei hatten sich in der Zwischenzeit auch noch die Kräfteverhältnisse umgedreht. War bei ihrem ersten Treffen er derjenige gewesen, der eher verunsichert auf ihre Direktheit reagiert hatte und nervös geworden war, so waren sie hier in seinem Revier und da war er eindeutig der Überlegene. Marco hatte die Situation fraglos im Griff. Das rief ein unangenehmes Gefühl der Beklemmung in ihr hervor.
Er schien gespürt zu haben, dass sie sich in seinen Armen versteifte und lockerte seinen Griff ein wenig.
„Habe ich dich überrumpelt?“, fragte er besorgt und strich ihr sanft eine Haarsträhne aus der Stirn.
„Naja.“ Ella lachte verlegen. „Ich hatte fast schon vergessen, wie stürmisch du sein kannst.“
Marco schluckte hart und lächelte entschuldigend. „Du hattest mir gesagt, du würdest mich nicht mehr auf Abstand halten, da ist wohl mein Temperament mit mir durchgegangen. Und die vergangene Woche hat das ihre noch dazu beigetragen, dass ich mit meiner Geduld absolut am Ende bin, das weißt du ja. Und du weißt auch, dass ich nicht erst seit einer Woche auf dich warte und dich begehre. Du quälst mich nun schon sehr lange und ich kann dir gar nicht sagen, wie viel Beherrschung mich das alles kostet, seit du mich endlich angerufen hast.“
Er war sehr ernst und die tiefe Furche zwischen seinen Augenbrauen deutete darauf hin, dass er es nicht darauf anlegte, sie zu belustigen.
„Du meinst es tatsächlich so, wie du das gerade gesagt hast, stimmt’s?“, forschte sie nun direkt nach.
Er ließ sie los. Dann tat er etwas, das sie unvermittelt nach Luft schnappen ließ: er nahm ihre Hand und legte sie kurz und herausfordernd auf seinen Schritt, ehe er sie wieder los ließ. Die Antwort war deutlich zu spüren.
„Du weißt hoffentlich, was es bedeutet, dass du hierhergekommen bist.“ Seine Stimme klang heiser und eindringlich zugleich. „Ich habe dich nicht eingeladen, um Schach zu spielen, obwohl das mit dir unter gewissen Umständen auch seinen Reiz haben könnte.“
Ellas Nervosität machte sich in einem kurzen Auflachen Luft. Seine schonungslose Direktheit hatte ihr das Blut in die Wangen getrieben, andererseits war ihr natürlich klar gewesen, warum er sie eingeladen hatte.
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