Marcos Verlangen
Sie wollte es ja auch, hatte zuerst die Entwicklung sogar selber noch mit Genuss vorangetrieben. Allerdings hatte sie auf Grund seiner anfangs fast unbeholfenen Reaktionen nicht erwartet, dass seine Avancen eine solche Intensität annehmen und er so ungeniert und vollkommen ohne Umschweife zur Sache kommen würde, kaum dass sie seine Schwelle überschritten hatte. Er war eindeutig und uneingeschränkt Herr der Lage.
„Das weiß ich sehr wohl.“ Sie bemühte sich darum, das Zittern ihrer Stimme unter Kontrolle zu halten, was ihr angesichts der Feuchtigkeit, die sich in ihrem Schritt ausbreitete, nicht ganz leicht fiel. „Ich dachte aber wohl irgendwie – ach, ich weiß ja auch nicht, was ich mir gedacht habe.“
„Du hast ja recht“, lenkte er nun ein, „es ist nicht sehr gentlemanlike, so über eine Frau herzufallen. Nur - du weißt ja, wie sehr ich dieses Wochenende herbeigesehnt habe und wie lange ich es mir schon in den glühendsten Farben ausmale. - Aber komm erst mal richtig herein und lass dich ein wenig herumführen, okay?“
„Ja, gern.“
Ella nickte erleichtert. Fast bedauerte sie ihren Rückzieher – seine Äußerungen hatten ihre Wirkung auf sie auch dieses Mal keineswegs verfehlt. Er war eindeutig ein ganz hervorragender Manipulator und wusste mit Worten perfekt umzugehen.
Sie runzelte die Stirn, als ihr die Vorgänge bewusst wurden. Er hatte sie erfolgreich programmiert und das Ergebnis davon war jetzt, dass sie selber vor Verlangen nach ihm fast keine Luft mehr bekam. In ihrem Bauch tanzten hunderte von Schmetterlingen einen wilden Reigen und das Kribbeln zwischen ihren Schenkeln nahm inzwischen unanständige Ausmaße an.
Während Marco nun seine Ankündigung wahr machte und sie durch das Erdgeschoss führte, verselbstständigten sich ihre Gedanken, so dass sie nicht allzu viel von ihrer Umgebung mitbekam, außer dass sie aus jeder Ecke altes Geld anstarrte. Im Internet war zu lesen gewesen, dass seine Familie alter Adel sei, was er ihr aber inzwischen widerlegt hatte; dass die Mingonis schon immer Geld gehabt hatten, dass einer seiner Großväter mit Kunsthandel noch mehr davon gemacht und dass er selber mit verschiedenen Publikationen auch schon Summen mit vielen Nullen vor dem Komma eingestrichen hatte. Das alles war hier deutlich zu erkennen.
Und nun hatte es dieser reiche Adonis ausgerechnet auf sie abgesehen?
Er war sich seiner Attraktivität und seiner Ausstrahlung natürlich bewusst, daran konnte kein Zweifel bestehen. Über sein Privatleben hatte Ella zwar immer noch nichts herausfinden können, aber dass er nicht wie ein Mönch lebte, verstand sich bei einem Mann wie ihm wahrscheinlich von selbst. Er konnte mit Sicherheit jede Frau haben, die er nur wollte, aber – was wollte er ausgerechnet von ihr?
Hatte er vielleicht einen Sehfehler?
Ella hatte nie mit ihrem Äußeren kokettiert. Sie war sich ihres Aussehens bewusst und ihr war früh schon klar gewesen, dass sie nie eine klassische Schönheit sein würde. Im Allgemeinen war sie mit sich zufrieden, sie wusste, was sie aus sich machen konnte und das tat sie. Sie betrachtete sich als halbwegs intelligent und witzig und hoffte, so ihre kleinen Mängel zu überspielen, die dem allgemeinen Schönheitsideal widersprachen. Dass sie zum Beispiel eine etwas zu große Nase hatte, oder die Unterlippe ein Tick zu voll war. Ihre bernsteinfarbenen Augen gefielen ihr selber überhaupt nicht und die Haarfarbe „irgendwo zwischen Kastanie und Kartoffel“, wie sie es gerne scherzhaft nannte, war in ihren Augen auch nicht das Wahre. Mit ihrer Figur war sie genauso unzufrieden, aber sie versuchte, damit klarzukommen. Bei genauerem Hinsehen hätte sie hier ebenfalls allerhand Mängel finden können, doch mit den Jahren hatte sie zum Glück gelernt, nicht überall genauer hinzusehen und sich stattdessen mit den Gegebenheiten abzufinden.
Dennoch waren ihr Marcos Avancen noch immer leicht suspekt.
„Und das hier ist nun das Bild, das ich damals an die Ausstellung ausgeliehen hatte“, drang unvermittelt seine Stimme wieder an ihr Bewusstsein.
Sie zuckte fast schuldbewusst zusammen. Von der Führung durch die imposanten Räume hatte sie so gut wie nichts mitbekommen, außer einer vagen Ahnung von Reichtum und exquisitem Geschmack. Immerhin war das für sie genug gewesen, um sich entschieden deplatziert zu fühlen.
Als er sich zu ihr umwandte, streifte sie ein Hauch seines herben, männlichen Geruchs, gepaart mit einem leichten Unterton
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