Marcos Verlangen
verlassen. Du weißt doch, wie Männer sind! Heute ist es die Kunstsammlung und morgen sind es die Briefmarken. Männer sind sprunghaft und…“
Weiter hörte Ella nicht mehr zu. In ihr kroch Panik hoch. Betreten senkte sie den Blick. Ihre Hände waren feucht und sie wünschte sich nur noch weit fort aus dieser unangenehmen Situation.
Die Worte ihrer Mutter drehten sich in ihrem Kopf, ausgerechnet jetzt musste ihr das wieder in den Sinn kommen, was sie unbedingt hatte verdrängen und vergessen wollen: „ Du gehörst nicht dazu, das wirst du nie! Die sind was Besseres als du und wollen unter sich bleiben! Und dieser Mann wird dich fallen lassen, wenn er bekommen hat, was er will!“ Dass nun sogar die Frau eines seiner Freunde sie davor warnte, sich auf Marco zu verlassen, war Wasser auf die Mühlen des Misstrauens, das ihre Mutter gesät hatte, und Ellas Laune sank auf einen absoluten Tiefpunkt.
Wie sie den restlichen Abend überstand, daran konnte Ella sich später so gut wie nicht mehr erinnern. Irgendwann stand sie endlich aufatmend allein mit Marco auf der Straße, nachdem die anderen beiden Paare sich verabschiedet hatten und aufgebrochen waren. Marco war, wie bereits den ganzen vergangenen Abend, bester Laune und deutlich mehr als angeheitert. Beschwingt wedelte er ihr mit dem Autoschlüssel vor der Nase herum.
„Du fährst, Engelchen!“, bestimmte er mit nicht mehr ganz sicherer Stimmlage. „Ich habe leider zu viel getrunken und brauche meinen Führerschein noch.“
„Ich?“ Ella wich entsetzt einen Schritt zurück. „Aber ich habe noch nie einen Wagen mit Automatik gefahren.“
„Ist doch ganz einfach.“ Er nuschelte ein wenig, „Du vergisst am besten, dass du zwei Füße hast und fährst nur mit dem rechten. Komm jetzt, hier nimm und zier dich nicht so!“
Damit drückte er ihr unbeeindruckt den Schlüssel in die Hand und lotste sie Richtung Parkplatz. Mit einem mulmigen Gefühl ließ sie sich auf den Fahrersitz drängen, allerdings nur aus dem einen einzigen Grund: Marco war an diesem Abend eindeutig nicht mehr fahrtüchtig und wenn sie nicht auf ein Taxi warten wollten, dann musste Ella sich jetzt zusammennehmen und sie beide chauffieren.
Alles, absolut alles traf an diesem vermaledeiten Abend zusammen. Bereits als Marco sie abgeholt hatte, hatte ihr beim Anblick seines Luxusschlittens der Atem gestockt. Bisher hatte er immer seine kleine Dienst-Giulietta genutzt, wenn er mit ihr unterwegs gewesen war, oder aber sie waren in Ellas Wagen gefahren. An diesem Abend aber war er zum ersten Mal mit seinem Privatauto bei ihr aufgetaucht und Ella konnte sich des Verdachts nicht erwehren, dass er entweder bei ihr Eindruck schinden wollte, was absurd war. Noch mehr Eindruck zu machen, als er bei ihr ohnehin schon hinterlassen hatte, war nahezu unmöglich. Oder er legte Wert darauf, bei seinen Freunden mithalten zu können, doch das erwies sich am Ende des Abends als ebenso absurd, denn sie waren als erste gekommen und fuhren als letzte – kein Mensch bekam mit, in welchem Auto sie kamen oder losfuhren.
Und nun sollte sie diesen Luxusklasse-Wagen fahren – ein Auto, das wahrscheinlich mehr kostete, als ihr Vater in mehreren Jahren verdiente. Wie sie schon in ihrem ersten Schreck zu bedenken gegeben hatte, besaß sie nicht die geringste Erfahrung mit Automatikgetrieben noch hatte sie jemals ein Auto von solchen Dimensionen aus einem engen Parkplatz manövriert. Ihr war speiübel, als sie schließlich den Motor anließ. Wenn sie nun auch noch einen Unfall verursachte, und selbst wenn es nur ein leichter Kratzer des auf Hochglanz polierten Metallic-Lacks wäre, dann würde das die absolute Krönung eines katastrophalen Abends bedeuten!
Ella begann zu schwitzen, als sie mit rasendem Puls langsam und vorsichtig auf Marcos Anweisungen hin das Gefährt aus seiner Parklücke bugsierte. Als sie dann endlich auf gerader Strecke unterwegs waren, ohne dass es irgendwelche verdächtigen Geräusche gegeben hätte, atmete sie zaghaft auf. Doch nur bis zur nächsten roten Ampel. Denn natürlich vergaß sie den Tipp, sie solle den linken Fuß ignorieren – sie trat die Bremse, als sei es die Kupplung, und Marco stöhnte gequält auf.
„Engelchen – was machst du denn? Lass den verdammten linken Fuß stehen und hör auf, mir den Magen umzudrehen! Und wo fährst du überhaupt hin?“
„Nach Hause.“
„Nicht zu dir nach Hause – meine Villa ist von hier aus näher, also fahr links! Und nicht wieder
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