Marcos Verlangen
seiner vermaledeiten Idee herausrückte, seine neue Geliebte als seine private Kuratorin aufzubauen und ihr die zu tätigenden Einkäufe zu übertragen. Das konnte er ja vielleicht noch irgendwie handhaben, mit einem dieser üblichen Mäuschen würde er schon fertig werden, sie würde nehmen, was er vorschlug und er würde Mingoni nicht enttäuschen. Aber der erwartete von ihm, dass er sie gewissermaßen ausbildete, dass er sie unter seine Fittiche nahm, ihr Gespür und Wissen beibrachte, sie zu einer Fachfrau in Sachen Kunst machte. War er denn jetzt völlig übergeschnappt? Sie sollte Kunstgeschichte studieren und bei ihm quasi praktizieren. Und Mingoni wusste genau, dass er dazu unmöglich nein sagen konnte, wenn er ihn als Kunden nicht verlieren wollte!
Für ihn war das Anliegen pure Erpressung und er hätte am liebsten sofort abgelehnt, aber das wollte er sich dann doch nicht leisten. Er hoffte, diese Idee würde sich in Luft auflösen, noch ehe sie konkret werden konnte, doch heute Morgen hatte Mingonis Vorzimmer angerufen und den Besuch der beiden für diesen Nachmittag angekündigt. Er machte also tatsächlich Ernst damit und wollte ihm sein Betthäschen vorstellen - als neue Kuratorin seiner Kunstsammlung, wie lächerlich!
Wieder stieg Ärger in ihm hoch. Es wäre tatsächlich zum Lachen gewesen, hätte er es nicht als eine so unerträgliche Zumutung empfunden. Genervt warf er einen Blick auf seine Uhr und dann hinüber zu der fremden Kundin. Etwa eine halbe Stunde noch, dann würde das Unheil über ihn hereinbrechen, dachte er, und war sich dessen durchaus bewusst, dass seine theatralische Ader mit ihm durchzugehen drohte. Es ging ja nicht um sein Leben und wenn er es geschickt anstellte, dann würde die zweifellos unbedarfte und nicht besonders intelligente Dame einfach ins Leere laufen. Dieser Gedanke ermunterte ihn etwas, er straffte die Schultern, holte tief Luft, verabschiedete die stolzen neuen Besitzer einer unvergleichlich schönen, bronzenen Frauenfigur und sah sich nach der Fremden um.
Die junge Frau wandte sich von dem Bild ab und ihm zu, als sie seine Schritte hinter sich hörte, und sah ihm mit einem feinen Lächeln entgegen. Sie war nicht wirklich klassisch schön, aber sie hatte Ausstrahlung. Eine aparte, von Kopf bis Fuß tadellose Erscheinung, für die er liebend gerne mehr Zeit gehabt hätte, als die knapp bemessenen Minuten, die ihm bis zu Mingonis Ankunft bleiben würden. Vielleicht ließe sie sich ja davon überzeugen, ein andermal wiederzukommen, wenn er mehr Zeit hätte. Das hier war keine Frau, die man einfach so wieder aus seinem Laden spazieren ließ, wenn man es verhindern konnte.
Nun machte sie einen Schritt auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen.
„Signor Barone, nehme ich an?“ Sie hatte eine angenehme, etwas dunkle Stimme.
Er nickte und schüttelte ihr die Hand. „Was kann ich für Sie tun, Signora? Oder möchten Sie, dass ich Sie Signorina nenne?“
Ihr Lächeln vertiefte sich und er hätte sich sofort am liebsten die Zunge abgebissen. Sein Vorstoß zu erfahren, ob sie verheiratet war oder nicht, war offensichtlich zu plump gewesen.
„Ich bin emanzipiert, Sie dürfen es sich also aussuchen, wie es Ihnen besser gefällt.“
Nun vibrierte die Stimme vor Amüsement und er biss die Zähne aufeinander – touché! Schlagfertig war sie und damit notgedrungen auch intelligent. Aber wer zum Teufel war sie und was wollte sie hier?
Er rang sich ein Grinsen ab.
„Wie kann ich Ihnen helfen? Suchen Sie etwas Bestimmtes – Signorina?“
„Das habe ich gerade gefunden.“ Ihre Augen sprühten belustigte Funken, als sie sein Erstaunen bemerkte. „Ich suche Sie!“
„Mich?“
„Entschuldigen Sie mein Benehmen, ich habe mich noch nicht vorgestellt – ich bin Ella Ballarin.“
„Freut mich, Signorina Ballarin.“
Wieder vertiefte sich ihr Lächeln.
„Ich muss Sie sprechen, um etwas klarzustellen und ich bin daher etwas früher gekommen als vereinbart.“
Barone starrte sie an. Irgendwie sagte ihm eine innere Stimme, er solle die Situation begreifen, aber etwas in ihm wehrte sich dagegen.
„Etwas klarstellen? Aber – aber…“ Nun fing er an zu stottern. „Möchten Sie sich nicht setzen?“
Sie ließ sich von ihm zu einer Sitzgruppe aus edlem Leder bugsieren, die in einer etwas zurückversetzten Ecke der Galerie stand und von der aus man sowohl den Eingang als auch die gesamte Ausstellungsfläche im Blick hatte. Sie begann zu sprechen, kaum dass sie
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