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Marcos Verlangen

Marcos Verlangen

Titel: Marcos Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Gambrinus
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richtig saß.
    „Lassen Sie mich am besten gleich mit der Tür ins Haus fallen, Signor Barone – ich weiß, dass professore Mingoni Sie angerufen und von Ihnen verlangt hat, mich quasi als Praktikantin in Ihrer Galerie aufzunehmen. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie überaus begeistert…“, ihre Miene ließ keinen Zweifel an der Ironie ihrer Aussage „…Sie von dieser Idee gewesen sein mussten. Und daher bin ich jetzt schon hier, und zwar alleine, um Ihnen zu sagen, dass ich nicht die Absicht habe, Ihnen in irgendeiner Weise auf die Nerven zu fallen. Ich habe herzlich wenig Ahnung von moderner Kunst, aber ich werde es schon irgendwie schaffen, Marco nicht zu ruinieren, indem ich sein Geld in wertlose Bilder investiere.“
    Nun lachte sie und zuckte die Schultern.
    „Natürlich würde ich einen Rat Ihrerseits nicht in den Wind schlagen, aber so wie Marco sich das vorstellt – mit mir praktisch als Ihrem Schatten oder Ihrer Privatschülerin, nein, das wäre nicht tragbar.“
    Barone hatte schweigend zugehört und rang um Fassung. Er hatte Mühe zu glauben, was er da hörte und die Situation einzuordnen. Diese Frau sollte Mingonis neue Geliebte sein? Ihm war klar, dass er sie anstarrte, ihm war auch klar, dass seine Reaktion sehr befremdlich war, aber er tat sich einfach zu schwer damit, die wenigen Brocken, die er bisher über Mingoni und dessen Privatleben gehört oder gelesen hatte, mit dieser natürlichen Erscheinung in Einklang zu bringen.
    Ella redete inzwischen unbefangen weiter.
    „Nun, das war eigentlich schon in groben Zügen mein Anliegen. Ich wollte Sie vorwarnen, wenn also der Professor anschließend eintrifft und das Thema tatsächlich zur Sprache bringen sollte, dann gehen Sie bitte einfach darauf ein und den Rest besprechen Sie und ich dann in Ruhe später. Sind Sie damit einverstanden?“
    Barone räusperte sich, um seine Fassung wiederzugewinnen.
    „Warum sagen Sie ihm das nicht einfach selber?“
    Als es heraus war, fiel ihm auf, wie provozierend es klang, doch sein Gegenüber lachte nur herzhaft.
    „Ach wissen Sie, ich kenne ihn inzwischen gut genug, um meine eigenen Strategien entwickelt zu haben. Wozu diskutieren, seinen Willen soll er ruhig haben – aber eben etwas anders als er denkt. Oder haben Sie etwa ein Problem damit?“
    „Oh nein, keineswegs“, beeilte er sich zu versichern. Das lief ja besser, als er gehofft hatte, wenn ihm die Situation auch immer suspekter wurde.
    „Na fein.“ Ihr Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass für sie das Thema erledigt war. „Dann können wir ja zum eigentlichen Zweck unseres Besuchs heute Nachmittag kommen – wo ist denn nun bitte dieses Wunderbild, das einen gestandenen Mann so in Verzücken versetzen kann?“
    „Kommen Sie, ich habe es hier!“
    Barone erhob sich gleichzeitig mit ihr und ging voran zu einer Nische, die ihr bisher noch nicht aufgefallen war. Hier stand eine Staffelei und darauf offensichtlich ein Gemälde, nicht sehr groß, das mit einem dunklen Tuch abgedeckt war.
    Er zog das Tuch fort und hörte, wie sie Luft holte.
    „Wow!“, entfuhr es ihr etwas undamenhaft.
    „Genau!“, betätigte er. „Sehen Sie das hier? Und das?“
    Cristoforo Barone fuhr mit dem Finger sanft die Konturen der nackten Frau nach, die sich vor ihm auf der Leinwand rekelte.
    „Er beherrscht das Sfumato fast perfekt, er ist ein absoluter Magier mit dem Pinsel. Dazwischen sehen Sie Anklänge an den Postimpressionismus und der Effekt ist einfach einmalig! Sehen Sie, was ich meine?“
    Ella nickte.
    „Und hier“, fuhr er mit Begeisterung fort, „erreicht er mit so wenigen Farbschichten eine Art von Dreidimensionalität, es sieht fast schon aus wie ein Hologramm.“
    Das war zwar etwas übertrieben, aber der Anblick war tatsächlich verblüffend. Einen Moment lang standen sie beide schweigend vor dem Werk und studierten es fast andächtig.
    Die Darstellung, ein virtuos ausgeführter Frauenakt im Halbprofil, hingegossen auf ein Sofa aus purem Licht, war tatsächlich von atemberaubender Schönheit. Die Farbgebung war so raffiniert, dass der Hintergrund in der Tiefe zu versinken schien, während die Haut buchstäblich dazu einlud, sie zu berühren, zu liebkosen, sich von ihrer Wärme und Samtigkeit zu überzeugen.
    Sie beugte sich vor, um ein paar Details aus der Nähe zu inspizieren, konnte dabei die Ölfarbe riechen, ein bisschen Firniss, den Staub vieler Jahre auf irgendeinem Dachboden und die leicht stockige Feuchtigkeit des Leinens. Da wo es

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