Marcos Verlangen
bleib doch einfach hier.“ Ihre Stimme wurde immer leiser.
„Würde dir das denn gefallen?“
„Mhm, allerdings.“
Marco schwieg einen Augenblick.
Sie schickte ihn tatsächlich nicht nach Hause. Im Gegenteil – sie kuschelte sich eng an ihn, seufzte leise auf und war bereits nach wenigen Atemzügen eingeschlafen.
Bei Marco dauerte es ein wenig länger, ehe er endlich Ruhe fand. Irgendwie hatte er das ungute Gefühl, als sei er knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt, ohne überhaupt genau zu wissen, wo deren Ursache lag. Zurück blieb ein leichtes Unbehagen, das er aber nicht genau benennen konnte – es war einfach nur da.
Aber immerhin sah es danach aus, als bliebe sie auch weiterhin bei ihm. Und das war im Moment alles, was für ihn zählte.
Dantes Geheimnisse
Cristoforo Barone war schlecht gelaunt: ein einziger Anruf hatte es geschafft, ihm den ganzen Tag zu verderben.
Er hatte gehofft, dass sein geschätzter Kunde den Plan nicht ernsthaft würde verwirklichen wollen – diese hirnrissige Idee, die er ihm vor einigen Tagen schon telefonisch vorab eröffnet hatte! Leider hatte er sich offensichtlich getäuscht.
Er seufzte ungehalten und versuchte, sich wieder auf das ältere Ehepaar zu konzentrieren, das sich angeregt über die kleine Bronzestatue unterhielt, die es zu kaufen beabsichtigte. Er konnte und wollte es sich nicht leisten, unaufmerksam zu erscheinen, das war nicht seine Art, Geschäfte zu tätigen. Aber sein Ärger ließ sich nicht so einfach beiseiteschieben.
Er hörte den Summer, der ihm mitteilte, dass jemand seine Galerie betreten hatte. Auch das noch, ausgerechnet jetzt! Heute blieb ihm wirklich nichts erspart.
„Entschuldigen Sie mich einen Moment?“
Er klinkte sich aus der Unterhaltung aus und trat einen Schritt zurück, um den Eingangsbereich zu überblicken. Eine junge Frau war eingetreten und sah mit einem halb unsicheren, halb neugierigen Blick um sich. Als sie ihn sah, lächelte sie beinahe entschuldigend, erfasste sofort die Situation und deutete ihm mit einer Geste und einem fragenden Blick an, dass sie sich umsehen würde, bis er Zeit für sie hätte. Er nickte erleichtert und wandte sich wieder seinen beiden Gesprächspartnern zu.
Die Unterhaltung begann, sich ihrem Ende zuzuneigen. Barone warf hin und wieder einen verstohlenen Blick zu der jungen Frau hinüber, die langsam und bedächtig von Gemälde zu Gemälde schlenderte, mal den Kopf neigte, mal einen Schritt zurücktrat, mal ganz nahe an eins heranging, um Details besser erkennen zu können.
Ihre Aufmachung war schlicht. Sie trug ein tintenblaues Sommerkleid, die dazu gehörende Jacke lässig über dem Arm, eine farblich abgestimmte Tasche und passende Ballerinas vervollständigten das Bild. Sie war leicht gebräunt und trug das offensichtlich lange, kastanienfarbene Haar lässig hochgesteckt – ein paar vorwitzige Strähnen ringelten sich um ihren Hals und nahmen ihrer Erscheinung die fast zu ausgeprägte Perfektion. Ihre Silhouette war von hinten sehr reizvoll und er hätte was darum gegeben, ihr die Zeit widmen zu können, die sie seiner Meinung nach verdiente, aber leider…!
Dieser verdammte Mingoni! Was hatte der sich nur dabei gedacht, ihm mit einem solchen Anliegen zu kommen. Natürlich, er war einer seiner zahlungskräftigsten Kunden, das Geld saß ihm locker, wenn ihm etwas gefiel und er war weit weniger beratungsresistent als manch ein anderer Kunstsammler, der auf Barones Vernissagen ein- und ausging, seinen Champagner trank und kluge Sprüche klopfte. Aber das, was er sich nun in den Kopf gesetzt hatte, war trotzdem eine bittere Pille.
Er selbst hatte Mingoni angerufen, weil ihm eine Rarität in die Hände gefallen war und er wusste, dass Mingoni auf dieses Genre stand. Also hatte er sie ihm zuerst angeboten und natürlich sofort sein Interesse geweckt. Und zu seiner großen Begeisterung hatte er dann erfahren, dass Mingoni beabsichtigte, seine Kunstsammlung erheblich zu erweitern – so etwas war immer eine sehr erfreuliche Nachricht für einen Galeristen, der das Vertrauen seines Kunden genoss, und zwar aus dem einen Grund genoss: weil er es noch nie missbraucht hatte. Das gehörte zu seiner Arbeitsmoral, das war seine Maxime und bis heute war er damit gut gefahren. Also standen ihm gute Geschäfte ins Haus und da Mingoni auch ein Leithammel war, kamen in seinem Kielwasser meistens noch viele andere Abschlüsse zustande. Bis hierher schien alles gut. Bis…
Bis Mingoni mit
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