Marcos Verlangen
was den kühlen Marco Mingoni so an dieser Frau faszinierte.
Wieder räusperte er sich. Dann packte er den Stier bei den Hörnern.
„Ich frage mich, wie Sie es zustande bringen, so mit ihm zu reden. Das hat, zumindest in meinem Beisein, bisher noch keiner gewagt.“
Ihr Lächeln vertiefte sich und er erkannte um ihre Augenwinkel herum die Andeutung winziger Fältchen. Sie machte eine kurze Pause und nippte an ihrem Glas, ließ ihn dabei aber nicht aus den Augen.
„Machen wir einen Deal“, schlug sie schließlich vor und in ihrer Stimme schwang unüberhörbar Belustigung mit, als sie sah, wie er erstaunt die Augenbrauen hob.
„Was für einen Deal?“, entfuhr es ihm spontan.
„Ich beantworte Ihre Frage, wenn Sie mir alle Details über Dante verraten, die ich noch nicht kenne!“
Er lachte überrascht. Ihr Angebot gefiel ihm und so hatte er die Aussicht, noch ein wenig mehr Zeit mit dieser schönen und klugen Frau zu verbringen.
„Aber gerne, sehr gerne. Wer fängt an?“
„Ich, denn Sie sind ja bereits in Vorleistung gegangen.“
Sie nahm noch einen Schluck, sah einen Moment lang nachdenklich an ihm vorbei und holte dann tief Luft.
„Es ist eigentlich ganz einfach, wissen Sie? Marco weiß, dass ich meine Freiheit brauche. Ich wiederum wusste, dass er verheiratet ist und ich habe ihm von Anfang an zu verstehen gegeben, worauf er sich mit mir einlässt.“
„Und worauf hat er sich eingelassen? - Wenn ich so neugierig sein darf.“
„Auf einen ziemlich komplizierten Menschen, der sehr lange Zeit ohne ihn zurechtkommen musste. Ich bin gerne allein, darum ziehe ich auch nicht bei ihm ein. Ich kann wie jeder andere Mensch auch nicht mehr als ein Paar Schuhe auf einmal tragen oder eine Handtasche oder ich weiß nicht was. Ich kann nur ein Auto auf einmal fahren und nicht in mehreren Wohnungen gleichzeitig wohnen. Kiloweise Schmuck zu tragen würde mich ermüden und ich habe keine Lust, immer auf meine teure Kleidung aufzupassen. Ich will auch mal leben.“
Barone lauschte mit wachsender Verblüffung dieser Aufzählung. Noch nie in seinem Leben hatte er solche Worte aus dem Mund einer Frau gehört, die all dies besaß und der es doch ziemlich gleichgültig zu sein schien.
„Und jetzt fragen Sie sich bestimmt, warum ich dann nicht konsequenterweise auf all das verzichte, oder?“
Er konnte nur wahrheitsgemäß nicken, was ihr ein amüsiertes, perlendes Lachen entlockte.
„Na, so abgeklärt bin ich nun auch wieder nicht“, gestand sie, noch immer glucksend, „schließlich bin ich nicht der Dalai-Lama! Es gefällt mir schon alles, keine Frage! Aber ich verbiege und verkaufe mich nicht dafür. Ich hatte das alles vor Marco nicht und ich könnte ohne das alles auch nach Marco leben, aber andererseits - warum sollte ich ablehnen, was er mir gerne bieten möchte?“
„Eine gesunde Einstellung“, brachte er lahm hervor. Ihm fehlten die Worte und das geschah nicht oft in seinem Leben.
„Ja, nicht wahr?“
„Aber dass ein Marco Mingoni sich das gefallen lässt, ist mir trotzdem ein bisschen unheimlich“, gestand er. „Wie machen Sie das bloß?“
Sie schien einen Moment lang mit der Antwort zu zögern, als wäge sie ab, ob er ihrer würdig sei. Dann beugte sie sich etwas vor und senkte die Stimme. Er musste sich konzentrieren, sie noch zu verstehen bei dem Stimmengewirr um sie herum,
„Soll ich Ihnen sagen, was ich entdeckt habe?“
Er konnte nur angespannt nicken.
„Mingoni hat ein Geheimnis. Und ich kenne es.“
Sie machte eine erneute Pause und sah ihn vielsagend an. Ihm wurde bewusst, dass er mit offenem Mund da saß und auf die Enthüllung wartete. Und die kam prompt.
„Wenn er nachts zu mir kommt und sich den Maßanzug und die teuren Schuhe auszieht, wenn dann endlich kein Telefon mehr klingelt und niemand uns mehr stört – dann ist er auch nur ein Mensch. Ein ganz normaler Mensch, Sie verstehen?“
Sie lehnte sich zurück, nahm noch einen tiefen Schluck aus ihrem Glas und sah ihn amüsiert an.
„Das ist sein Wert für mich, nicht seine Funktion oder seine Bücher oder sein Einfluss. Er hat sehr viel, was ich an einem Mann schätze, aber sein Titel oder das ganze Drumherum gehört nicht unbedingt dazu. Verstehen Sie, was ich meine? Und genauso behandle ich ihn auch. Es scheint ihm gut zu tun, denn bisher hat er sich weder beklagt noch die Beziehung beendet. Habe ich Ihre Frage damit zur Zufriedenheit beantwortet?“
Ihre Mundwinkel zuckten leicht, als sie seine Verblüffung
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