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Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Titel: Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wieninger
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Protokoll, kein Amtsarzt. Entweder hatte er mir Angst einjagen wollen, oder er war sich von Anfang an seiner Sache nicht sicher gewesen.
    „Nehmen Sie mir endlich die Fessel ab - meine Arme sind ja schon taub wie Mauerwerk.“
    Es war vier Uhr früh, und Gabloner konnte sich über meine absterbenden Arme anscheinend nicht mehr so recht freuen, denn er gab keinen Mucks von sich. Er hatte das Verhör allein und schon müde begonnen und war jetzt nach über sechs Stunden so fertig wie ein gestrandeter Wal.
    „Ihre Razzia gestern wird wohl nicht gerade ein rauschender Erfolg gewesen sein, nehme ich mal an. Keine Pulver, keine Geheimprostituierten, keine Schießprügel - alles ungefähr so wie in einem katholischen Mädchenpensionat, nicht?“
    Gabloner rührte kein Ohr. Knallrot im Gesicht und mit geschlossenen Augen lehnte er in seinem ärarischen Stuhl aus dem Fundus der Gestapo, während ich um meine Freiheit redete.
    „Ich habe Ihnen das angetan, weil ich mußte. Was meine zerdepperte Einrichtung betrifft, sind wir damit quitt.“
    Gabloner schien eingeschlafen zu sein, aber alte Polizisten hören auch im Schlaf.
    „Die Knochen finden Sie im Keller der Pathologie. Mit einem von Saleks großen Scheinen, einem Fünftausender, habe ich in der Wäscherei in der Eisnerstraße bezahlt. Mit einem Schein, den ich ohne Salek nicht hätte. Sie wissen ja, wieviel es einbringt, wenn man sich um die Scherereien anderer Leute kümmert.“
    Gabloner sah aus, als hätte er einen Schlaganfall erlitten. Vielleicht arbeitete sein cholerisches Gehirn schon gar nicht mehr, und ich sprach zu einer hyperventilierenden Prachtportion abgestorbenen Fleisches.
    „Sie haben sich sicher schon überlegt, mir einen Plastiksack über den Kopf zu stülpen und zuzumachen. Oder mir ein paar überflüssige Finger zu brechen.“
    Nicht einmal dieser verlockende Gedanke konnte den alten Polizisten reizen. Er blieb unbewegt wie eine große Landschaft.
    „Aber Saleks Leben könnte am seidenen Faden gerade noch hängenbleiben, pendelnd und instabil, er könnte sich vielleicht erinnern, wer ihn tatsächlich niedergeschlagen hat, vielleicht gerade am Tag des Prozesses gegen mich, nach dem Schlußplädoyer des Staatsanwaltes ... Sie sind sich nicht sicher!“
    Es war nur sicher, daß Gabloner noch immer nichts sagte. Aber er war auf seine Art hellwach und dachte auf seine Art nach, wobei man immer seine blauen Wunder erleben konnte.
    „Sie haben hier sicher irgendwo Schnaps versteckt ...“
    Das war das Zauberwort, der alte Oberleutnant - eine gefährliche Witzfigur - erhob sich langsam wie eine sterbende Sonne von seinem Sitz und war mit drei zäh-langen Schritten in einer Ecke bei der Tür. Der Schirmständer. Ein gutes Versteck, dachte ich.
    Behutsam wie ein Neugeborenes trug er die Flasche zum Schreibtisch.

XXIII
    An der Tür meines Wohnbüros klebte eine Post-it-Notiz:
    „Das Leichenbegängnis der Emma Holzapfel - für Bluthunde geeignet. Zum Heiligen Josef. Neun Uhr. E.H.“ Eine vom Licht der Aufklärung durchflutete, gestochen scharfe Zierhandschrift eines Gelehrten, nicht die eines Generals. Aber Hikmet hatte sich längst entschieden ...
    Wir hatten beide nichts mehr gesprochen. Gabloner hatte mir die Kette abgenommen und den Anisschnaps innerhalb einer Viertelstunde leer getrunken - das ganze Zimmer stank davon.
    Ich beschloß, den Wecker - so er heilgeblieben war - zu stellen und die drei Stunden bis zum Begräbnis zu schlafen, so wie ich war, nach Anis stinkend, auf meiner zerschnittenen Matratze, nicht weit von der Weinlache, den Glasscherben, den Trümmern meiner zweifelhaften Existenz.
    Wie ein Riesenkalb hatte Gabloner an der Flasche gesogen und war danach eingeschlafen wie ein Stein. Ich untersuchte erfolgreich seine Anzugtaschen nach meinem Autoschlüssel und stellte die Flasche in den Schirmständer zurück. Ich unterließ es, seine Schreibtischladen zu durchwühlen oder ihm die Krawatte abzuschneiden. Jeder ist sich selbst Strafe genug. Ich drehte sogar das Licht ab, als ich ging.
    Im Stiegenhaus roch es nach Stempelfarbe und Uniformleder. Aus dem Polizeigefangenenhaus drang ein Schnarchen in siebzehn Sprachen in die Gänge herüber, und die Nacht war so uralt wie die Sehnsucht nach der Gerechtigkeit.
    Die Tür des Hinterausganges hatte ein Schnappschloß, das sich leicht nach innen aufdrücken ließ - ich war so frei wie ein Airbus unter dem Himmel.

XXIV
    Dem Kaplan quoll, während er sprach, weiße Watte aus dem Mund. Er fror

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