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Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Titel: Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wieninger
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war nur schütter besetzt. Sechs, sieben Gestalten mit weißen Stutzen, weißen Hemden und weißhäutigen Glatzen hockten bei Bier und Bockwurst an einem Tisch zusammen. Parteibraun die Wandtäfelung des Lokals, parteibraun die Schank, parteibraun das Bier. An der Stirnseite des ungastlichen Gastraumes war eine Hakenkreuzfahne drapiert. Seit dem Verbot des Verbotsgesetzes durften sie das wieder.
    Ich war langsam in den Raum getreten und hatte mich mit dem Rücken zur Schank aufgebaut. Ein Mitglied der Runde, ein kleinwüchsiger Mann mit schwarzverfaulten Zähnen und ausrasierten Augenbrauen, fixierte mich.
    „In diesen Räumlichkeiten ehrt man die Anwesenden mit dem deutschen Gruß.“
    „Piefkinesisch grüße ich nicht. Und Ehre nur, wem Ehre gebührt.“
    „Arier?“
    „Nicht, daß ich wüßte. Nach Darwin war auch der eine oder andere Schimpanse dabei.“
    Der kleinwüchsige Mann löste sich aus der Tischgesellschaft und steuerte lässig auf die Schank zu.
    „Sind Sie einzig und allein hergekommen, um böse Prügel zu beziehen?“
    „I wo, ich komme von der Chronos Lebensversicherungs AG und möchte nur eine kleine Prämie aussetzen. Nicht etwa für die schönste Glatze oder den ausgeprägtesten Napoleonkomplex, nein, sondern für ein Autokennzeichen in einem Fahrerfluchtfall“, sagte ich. Mittlerweile fand ich Gabloners Idee, gerade hier nach Zeugen zu suchen, nicht mehr ganz so bestechend, aber noch traute ich seinem Versprechen, im Falle des Falles nach fünf Minuten nachzukommen. „Taktik, mein Lieber,“ hatte der alte Polizist doziert, „mit einer Portion Überraschungstaktik wird man auch mit diesen Rabauken fertig.“
    Napoleon hatte sein Bierkrügel noch in der Faust und war wieder ein Stück nähergekommen.
    „Fahrerflucht mit Todesfolge, die meiner Assekuranz ganz schön teuer kommt, in der Eisnerstraße vorvorgestern abend. Wie gesagt, das Kennzeichen des flüchtigen Lenkers ...“
    „Oh, du heilige Rassenschande, der Bursche meint die totgefahrene alte Hure des Tschuschenhäuptlings!“ Napoleons Truppe war aufgesprungen. Ich fand Gabloners Idee, ausgerechnet hier nach Zeugen zu suchen, nun überhaupt nicht mehr bestechend. Hier war nichts zu finden - außer vielleicht die Täter.
    Ein Bierkrügel zerschellte vor meinen Füßen. Napoleon, so dachte ich, würde warten, bis seine Garde um ihn beziehungsweise vor ihm war. Ich wollte aber auf keinen Fall so lange warten. Entgegen den Usancen in Bud-Spencer-Filmen gibt es gegen fünf, sechs Männer keinen Kampf mit Aussicht auf Erfolg. Man wird zu Boden gerissen, festgehalten und dort so lange getreten und geprügelt, bis man in der Unfallambulanz oder im Himmel wieder wach wird.
    Wie ein Tennisspieler, den der Lop eigentlich schon überhoben hat und der dann plötzlich doch in tiefem Einverständnis mit den Dingen den Ball gerade, gerade noch erreicht und den Smash wuchtig und blind ins gegnerische Feld drischt, so zog ich ohne einen Gedanken die Handgranate aus dem Hosensack. Noch in dieser Bewegung riß ich den Sicherungssplint heraus und zeigte die Waffe hoch erhoben in der rechten Faust.

XXIX
    Mit der Granate meines Großvaters noch immer in der hocherhobenen Hand trat ich auf die Straße. Ich hatte sie, als Oberleutnant Gabloner beim Reversieren einen Moment nur mehr in den Rückspiegel geblickt hatte, verstohlen aus dem Handschuhfach genommen und hätte sie nun gerne wieder dorthin verfrachtet, aber vor dem Parteiheim war keine Spur des Wagens mehr zu sehen. Gabloner war stiften gegangen.
    Ein schmales Mädchen mit einem Schulranzen auf dem Rücken kam mir auf dem Gehsteig entgegen. Als sie meiner skurrilen Gebärde gewahr wurde, blickte sie mich zugleich zweifelnd und erschrocken an.
    Als ich noch Streifenpolizist bei der Sicherheitswache war, hatte ein sturzbetrunkener Randalierer einer Kellnerin das Gesicht mit einem Weinglas zerschnitten, und ich mußte den Mann ‘unter Anwendung körperlicher Zwangsgewalt’, wie es im Amtsdeutsch heißt, arretieren und aus dem Lokal bugsieren. Der Mann roch unbeschreiblich schlecht nach Gier und Wut und Alkohol, und ich wußte damals noch nicht, wie stark ich war. Später entpuppte sich der betrunkene Schläger als Stadtrat, und ich hatte ein Disziplinarverfahren wegen eines gebrochenen Jochbeines am Hals, das ich leicht beschädigt überstand. Die Erinnerung an diesen Geruch stieg mir in die Nase, und ich schämte mich sehr, mit einer Handgranate vor einem Schulmädchen zu stehen. Ich wechselte

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