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Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Titel: Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wieninger
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wie ein Hund und versuchte, die Sache so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Für ein Armeleute-Begräbnis schaltete der Mesner die Heizung für gewöhnlich nicht ein, und der Kaplan war aus Polen importiert und hatte unter dem hiesigen Pfarrer nicht viel zu sagen. Nicht einmal dem Kirchendiener.
    Mit schwerem Akzent las er die Messe für Emma Holzapfel und zwei weitere billige Verblichene, denen das Harlander Sozialamt das Begräbnis zu spendieren hatte. Die Kirche gehörte den drei Blechsärgen, die vor dem Altar standen, dem polnischen Armeleute-Priester, dem niemand ministrierte, und mir, dem einzigen Trauernden. Wer arm stirbt, stirbt auch allein.
    In meinem Beruf, dachte ich, kommt man immer zu spät. Prinzipiell zu spät. Wenn Marek Miert wie ein übergewichtiger Geier anflattert, sind die wesentlichen Dinge schon passiert.
    Emma Holzapfel war so tot wie ein Ziegelstein. Ich war weder ein Teil ihres Lebens noch ihres Todes gewesen, und doch spürte ich jetzt dem nach, was sie einmal gewesen war, und ihrer letzten Minute.
    Es mußte irgend etwas mit Riechen zu tun haben. Das wurde mir mit einem Mal bei ihrem Armenbegräbnis in der ungeheizten St. Josef-Kirche klar. Ich würde ihren Totschläger, den Mann hinter dem Volant, riechen, wenn es soweit war. Beweise sind eine andere Sache. Beweise machen sich die Anwälte untereinander aus, oder sie werden aus Versehen produziert von der Kriminaltechnik oder von irgendeinem Hilfsteufelchen.

XXV
    „Einmal hat er unsere Katze zertreten, Pater, und dann noch von mir verlangt, daß ich ihm die blutigen Hausschuhe putze. Oder hier - hier hat er in die Wand geschlagen, nachdem ich mich unter seinem Hieb weggeduckt habe. Sehen Sie die Delle, Hochwürden?“
    Ich sah eigentlich nichts außer die Blümchen der Blümchentapete.
    Madame Koljaiczek war zwar, wie sich herausstellte, keine regelmäßige Kirchgängerin, aber als Pater Paulus, der für die Leichenrede Biographisches über die ‘werte Verstorbene Emma Holzapfel’ sammeln wollte, hatte sie mich eingelassen und mir noch im Vorzimmer die eigene, traurige Allerweltsgeschichte vom trunksüchtigen, rabiaten Göttergatten und der Scheidungszeit erzählt. Vom Unfall Emmas hatte sie in einer kurzen Notiz in der Lokalzeitung gelesen.
    Unter der Adresse Jahnstraße 17 firmierte ein historistischer Kalksteinkasten, der ziemlich erfolglos ein barockes Jagdschlößchen zu imitieren versuchte. Aus den hochherrschaftlichen Räumen des vorigen Jahrhunderts hatte man durch Zwischendecken und -wände möglichst viele Wohnpferche gemacht, aus dem Park rundum Parkplätze für die vorsintflutlichen, verrosteten Gefährte der Mieter. Im Hof saßen Kinder mit Fernsehaugen und aßen die frostige Erde. Flickige Wäsche, über die Autos gespannt, trocknete nicht.
    An den wenigen Wohnungstüren, die sich mir öffneten, fingen mich unrasierte Männer in schwarzen Netzleibchen ab, die von einer Emma Holzapfel nichts wußten und von mir nichts wissen wollten. Einzig eine türkische Familie versuchte mir zwischen Tür und Angel radebrechend irgend etwas zu erklären, was ich aber nicht verstand. Madame Koljaiczek jedoch ließ mich ein; wenn auch nur in ihr Vorzimmer, denn das Zimmer dahinter, das durch einen Holzperlenvorhang zu sehen war, glich einem schlechten Witz. Unter den Dachbalken gelegen mit einem Guckkastenfenster von der Größe einer Tageszeitung vermittelte es einen schönen Ausblick auf eine Feuermauer. Ein Doppelbett, ein Schrank und eine Waschmuschel füllten den länglichen Raum. Oh, heilige Klaustrophobie, wer hatte es bloß geschafft, das Mobiliar in dieses winzige Zimmer zu pferchen?
    „Er hatte große Hände. Und violette Augen vom Wein. So regelmäßig, wie er atmete, schlug er mich. Ich bin dann manchmal zu Emma geflüchtet, ins Erdgeschoß, wo jetzt die Türken wohnen.“
    Madame Koljaiczek war mehr breit als hoch. Ihr dünnes, trotzdem auftoupiertes Haar hatte die Farbe lauwarmen Bieres. Sie hatte mit Kölnischwasser geduscht, und über dem Duft trug sie zwei oder drei Schlafröcke, einer geblümter als der andere. Ihr Gesicht war ölig wie der Schopf eines Toreros und bar jeder Lachfalte. Sie war vielleicht knapp fünfzig und so allein wie ein Komet.
    „Ich weiß ja leider Gottes so wenig über diese mildtätige Seele“, säuselte Pater Paulus, und ich fügte hinzu: “Wo hat die Selige denn gearbeitet?“
    „Pater, ich glaube, daß Sie das besser nicht in Ihre Trostesworte aufnehmen. Sie war nämlich

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