Mareks Todfeind
Sie hing sogar lappig nach unten. Deutlich waren die tiefen Bissstellen zu erkennen, als wären sie von Messern hinterlassen worden. Irgendwie waren die Zähne der Blutsauger nichts anderes.
Es würde noch dauern, bis der Mann aus seinem ersten Vampirschlaf erwachte. Wenn die Sonne verschwunden war und die Dunkelheit das Land beschattete, dann würde sich in ihm der verfluchte Keim regen und ihn in sein neues »Leben« führen, das nur äußerlich mit dem alten noch etwas zu tun hatte.
Es gab nur eine Möglichkeit, um ihn zu erlösen. Marek würde seinem Kampfnamen wieder alle Ehre machen müssen. Während er sich aufrichtete, holte er den Eichenpfahl hervor, der schon so viele Vampirkörper durchstoßen hatte.
Marek hatte sich so gedreht und auch hingestellt, dass jeder Trauergast die Waffe in seiner Hand sehen konnte. Marek hielt sie trotzdem noch hoch. »Ihr wisst, was sie zu bedeuten hat?«
Eine normale Antwort gab man ihm nicht. Einige Menschen nickten ihm nur zu.
»Ich muss es tun, und ich möchte, dass ich dabei keine Zeugen habe. Bitte, verlasst den Friedhof.«
Sie schwankten. Die Furcht war schon vorhanden, die Neugierde aber auch. Wohl keiner von ihnen hatte je gesehen, wie ein Vampir gepfählt wurde. Im Kino wohl, aber nicht in der Realität, auch wenn es einen Mann gab, der die Blutsauger und Wiedergänger jagte.
»Bitte, tut euch selbst den Gefallen. Ich denke, dass wir uns später treffen. Wenn alles vorbei ist, kann der Sarg in die Erde gelassen werden. Dann steht einem Zuschütten des Grabes auch nichts mehr im Wege.«
Der Bürgermeister, der in der Nähe stand, stellte sich auf Mareks Seite. Er ging mit schweren Schritten auf die Leute zu und scheuchte sie weg.
»Wir werden später darüber reden, nur nicht jetzt. Geht und betet, dass wir von einer Vampirpest verschont bleiben.«
Diese Worte gefielen Frantisek schon besser. Er war jetzt froh, den Bürgermeister auf seiner Seite zu wissen.
Die Träger hatten sich zurückgezogen. Sie standen an der Mauer und ließen eine Schnapsflasche kreisen. Über dem Friedhof zogen sich am Himmel die Wolken zusammen. Die Kraft der Sonne verblasste allmählich, und es breitete sich eine drückende Schwüle aus.
Der Bürgermeister blieb neben dem Erdhaufen stehen. Von dort aus konnte er ebenfalls in die Totenkiste schauen. Er hielt den Mund geschlossen und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Durch diese Haltung drückte er sein Unwohlsein aus.
»Wollen Sie wirklich zuschauen?«
»Ja«, flüsterte der Mann. »Ich muss es sehen, auch wenn es mir schwer fällt und alles so grausam und anders ist. Ich habe die Bissstellen gesehen und weiß nun, dass Sie Recht haben, Marek. Sie sind der Pfähler. Tun Sie, was Sie tun müssen.«
»Danke. Lieber wäre es mir andersherum. Aber man kann es sich im Leben nicht immer aussuchen.«
»Sie sagen es.«
Einen Hammer, mit dessen Schlag Marek den Eichenpflock tief in den Körper und das Herz des Vampirs getrieben hätte, besaß er nicht. Aber er war Experte genug, um zu wissen, wie er sich zu helfen hatte.
Den Eichenpflock umfasste er mit beiden Händen und richtete sich auf. Seine Füße hatten jeweils zu beiden Seiten des Sarges einen sicheren Stand gefunden.
Der Pfähler visierte die linke Brustseite des Totengräbers an. Es war seinem Gefühl nach noch stiller geworden. Nichts regte sich in seiner Umgebung. Es gab auch keinen Vogel, der zwitschernd oder krächzend durch die Luft flog. Nur die Sonne schickte ihre Strahlen in die schwüle Luft hinein.
Auch auf Mareks Gesicht lag der Schweiß. Er juckte, er wollte weggewischt werden, doch damit ließ sich der Pfähler Zeit. Er wollte nur nicht, dass ihm die salzige Flüssigkeit in die Augen rann und damit seine Sicht behinderte.
Noch mal schaute er hin.
Dann rammte er die Waffe nach unten!
***
Treffer! Ein Volltreffer sogar. Marek hatte viel Kraft in den Stoß gelegt. Die Spitze des Pfahls musste zuerst die Kleidung durchdringen. Danach erst die Haut und das Gewebe.
Der Bürgermeister hatte tatsächlich zugeschaut, wenn auch durch die Lücken der gespreizten Finger vor seinem Gesicht. Wie Marek, so hörte auch er zuerst den Aufprall und dann das Knirschen der Knochen, als die Wucht des Stoßes sie durchbrach.
Gleichzeitig zuckte der Körper etwas in die Höhe. Aus dem offenen Mund gurgelte dunkles Blut hervor, das zugleich auch rechts und links des Pfahls aus der Wunde spritzte.
Es war nicht viel Blut, nur ein schäbiger Rest, der noch im Körper des
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