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MargeritenEngel (German Edition)

MargeritenEngel (German Edition)

Titel: MargeritenEngel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karo Stein
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zur Schere gegriffen. Damit war dann auch klar, dass ich mir niemals selbst einen Schal stricken werde.
    Wir schauen der Talkshow im Fernsehen zu. Das Publikum ruft nach irgendeinem Mann mit einem Koffer. Alle johlen und klatschen, als er erscheint, während die beiden, die vorn auf der Bühne stehen, betreten zu Boden sehen. Die Moderatorin zaubert einen Zettel aus dem Koffer und fragt, ob die beiden bereit sind, die Ergebnisse des Lügendetektortests zu erfahren. Sie nicken.
    »Was für ein Unsinn«, meckert Frau Schumann. »Als wenn das Ergebnis etwas ändern würde. Was ist heutzutage nur mit den Menschen los? Überall nur noch Misstrauen und Missgunst! Was sind das für Beziehungen, wenn man den eigenen Partner zu so einer Talkshow schleppen muss, um Gewissheit darüber zu bekommen, ob man ihm vertrauen kann oder nicht.«
    Einen Moment denke ich darüber nach, ob ich ihr erklären soll, dass das alles nur gefaket ist, aber das würde sie womöglich noch wütender machen.
    »Was, glaubst du, wird sich danach ändern?«, fragt sie mich und deutet auf die Person, bei der zum dritten Mal in giftgrünen Buchstaben das Wort Wahrheit erscheint. Ich zucke mit den Schultern.
    »Genau«, sagt sie und schüttelt den Kopf. »Nichts wird sich ändern, denn entweder hat man Vertrauen in seine Partnerschaft oder nicht. Daran ändert auch so ein alberner Test nichts.«
    »Warum gucken Sie dann so was, wenn Sie sich doch nur drüber aufregen?«, frage ich vorsichtig. Ich hoffe, ich komme damit um das Vertrauensthema herum. Darauf habe ich nämlich keine Lust.
    Es wird mir ein ewiges Mysterium bleiben, wie das mit dem Vertrauen funktionieren soll. Wie kann man denn nicht davon ausgehen, dass der andere die Gelegenheit nutzt, wenn sie sich ergibt? Allerdings bin ich selbst immer treu. Wenn ich liebe, dann nur diesen einen Menschen, dann brauche ich keinen anderen. Aber Liebe und Sex sind nicht für alle Menschen das Gleiche. Für Kevin gibt es da prinzipiell einen riesigen Unterschied, auch wenn er immer sagt, dass es nur mich in seinem Leben gibt.
    Seufzend guckt Frau Schumann auf die Uhr an ihrem Handgelenk. »Meine Serie beginnt erst in einer halben Stunde. Und Nachrichten will ich nicht sehen, da rege ich mich noch mehr auf. Dann doch lieber diesen Unsinn.«
    Ich nicke verstehend, obwohl ich es nicht nachvollziehen kann.
    »Aber jetzt bist du ja da«, sagt sie und stellt den Ton des Fernsehers leiser. »Also, wie ist es dir in den letzten Tagen ergangen?«
    »Sollte ich das nicht lieber Sie fragen?«, versuche ich ein kleines Ablenkungsmanöver.
    »Krankenhäuser sind schrecklich«, brummt sie. »Das Essen war widerlich und die Schwestern unfreundlich. Immer in Eile und dauernd dieses Rumgemeckere. An Schlaf war auch nicht zu denken. Kaum habe ich die Augen zugemacht, kam eine von denen reingetrampelt. Furchtbar… die Ärzte, die ganzen Apparate, das Gefühl, dass man dem Tod gerade so von der Schippe gesprungen ist. Sei froh, dass du noch so jung bist.«
    »Sie müssen eben besser auf sich aufpassen.«
    »Ach, Junge«, sagt sie, beugt sich vor und fuchtelt mit der Wolle vor meinem Gesicht herum. »Mein lieber Junge. So ist das eben mit den alten Leuten. Ruckzuck ist man weg vom Fenster. Manchmal schneller als man denkt. Aber ich habe nicht vor, so schnell zu gehen. Also mach dir keine Sorgen, sondern genieß lieber dein Leben.«
    »Hm.« Blinzend richte ich meinen Blick auf den Fernseher. Meine Hände liegen verkrampft in meinem Schoß. Etwas von der bleiernen Angst ist bei ihren Worten zurückgekehrt.
    Natürlich, es gibt keine Garantie und irgendwann… Hoffentlich dauert dieses irgendwann noch ein paar Jahre, aber wir sind hier nicht in einem Hotel. Das hier ist die letzte Station des Lebens, der letzte Abschnitt. Das Ende des Weges ist in Sicht.
    Für gewöhnlich ist die Vorstellung weit weniger unheimlich. Das ist mein Job. Ich habe ihn mir ausgesucht. Es ist das, was ich machen möchte. Aber es sind Momente wie diese, die mir vor Augen führen, wie viel man verlieren kann.
    »So düstere Gedanken?«, fragt sie leise. Anscheinend hat sie mich beobachtet. »Hör auf, über etwas nachzudenken, das nicht zu ändern ist. Erzähl mir lieber, wie es dir ergangen ist. Was macht Kevin? Gehst du noch zum Zumba?«
    »Kevin geht es gut. Und sonst ist nichts Besonderes passiert. Alltag eben…« Einmal abgesehen von der Umarmung mit Rik, die sich aus irgendeinem Grund tief in mein Herz gebrannt hat und die ich einfach nicht

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