Margos Spuren
wir den Zaun gestreift, denn die Schiebetür weist eine tiefe Furche auf, so tief, dass man, wenn man genau hinsieht, in den Bus hineinsehen kann. Ansonsten sieht er völlig in Ordnung aus. Keine weiteren Beulen. Keine kaputten Fenster. Keine platten Reifen. Ich gehe einmal um den Wagen herum, um die Kofferraumtür zu schließen und betrachte die zweihundertzehn kaputten Bierflaschen und das immer noch sprudelnde Bier. Lacey kommt zu mir und legt den Arm um mich. Zusammen schauen wir dem schäumenden Bierbach zu, der in den Graben fließt. »Was ist passiert?«, fragt sie.
Ich erzähle es ihr : Wir waren so gut wie tot, doch dann hat Ben es geschafft, das Lenkrad herumzureißen und den Wagen in einer Art genialer Automobilpirouette in die richtige Richtung zu lenken.
Ben und Radar haben sich unter den Wagen gelegt. Sie haben beide keinen blassen Schimmer von Autos, aber ich nehme an, es beruhigt sie irgendwie. Nur der Saum von Bens Talar und seine nackten Waden stehen heraus.
»Leute«, ruft Radar. »Sieht eigentlich alles in Ordnung aus.«
»Radar«, sage ich, »der Wagen hat sich ungefähr acht Mal um die eigene Achse gedreht. Er ist garantiert nicht in Ordnung.«
»Sieht aber in Ordnung aus«, sagt Radar.
»Hey«, sage ich und ziehe an Bens New Balance. »Hey, komm da raus.« Als er sich herauswindet, reiche ich ihm die Hand und helfe ihm hoch. Seine Hände sind schwarz vom Motoröl. Ich nehme ihn in den Arm und drücke ihn an mich. Wenn ich das Lenkrad nicht losgelassen hätte und wenn er nicht so geschickt eingegriffen hätte, wäre ich jetzt tot, davon bin ich überzeugt. »Danke«, sage ich und klopfe ihm wahrscheinlich zu fest auf den Rücken. »Das war die beste Beifahrerleistung, die ich je gesehen habe.«
Mit der ölverschmierten Hand tätschelt er mir die unverletzte Wange. »Hab ich gemacht, um meinen Arsch zu retten, nicht deinen«, sagt er. »Glaub mir, wenn ich dir sage, dass du mir dabei kein einziges Mal in den Sinn gekommen bist.«
Ich lache. »Du mir auch nicht«, sage ich.
Ben sieht mich an, und sein Mund lächelt beinahe, als er sagt : »Ich meine, das war eine gottverdammte Monsterkuh. Das war keine Kuh, sondern so was wie ein Landwal.« Ich lache.
Radar kriecht unter dem Wagen hervor. »Mann, ich glaube echt, dass alles in Ordnung ist. Ich meine, wir haben höchstens fünf Minuten verloren. Wir müssen nicht mal die Durchschnittsgeschwindigkeit erhöhen.«
Lacey sieht sich mit geschürzten Lippen die Beule in der Schiebetür an. »Was denkst du?«, frage ich sie.
»Fahren wir«, sagt sie.
»Fahren wir«, sagt Radar.
Ben bläst die Wangen auf und atmet aus. »Hauptsächlich weil ich mich dem Gruppenzwang beuge : Fahren wir.«
»Fahren wir«, sage ich. »Aber ich setze mich bestimmt nicht mehr ans Steuer.«
Ben nimmt mir den Schlüssel ab. Wir steigen ein. Radar lotst uns die sanft geneigte Böschung hinauf und zurück auf die Autobahn. Wir sind noch 872 Kilometer von Agloe entfernt.
Dreizehnte Stunde
Alle paar Minuten sagt Radar : »Wisst ihr noch, als wir so gut wie tot waren, und dann hat Ben ins Lenkrad gegriffen und ist einer gigantomanischen verdammten Monsterkuh ausgewichen und hat den Kleinbus tanzen lassen wie das Teetassenkarussell in Disney World, und dann sind wir doch nicht gestorben?«
Lacey lehnt sich über die Küche, die Hand auf Bens Knie, und sagt : »Du bist ein echter Held, ist dir das klar? Die verleihen Medaillen für so was.«
»Ich habe es euch schon mal gesagt, und ich sage es gerne noch mal : Ich habe an keinen von euch gedacht. Ich. Wollte. Nur. Meinen. Arsch. Retten.«
»Du Lügner. Du heldenhafter, anbetungswürdiger Lügner«, sagt sie und drückt ihm einen Kuss auf die Wange.
Radar sagt : »Hey, Leute, wisst ihr noch, als ich mal mit zwei Gurten an die letzte Bank geschnallt war und die Tür aufflog und das Bier rausfiel, und ich hab vollkommen unversehrt überlebt? Wie ist so was überhaupt möglich?«
»Spielen wir Ich-sehe-was-was-du-nicht-sehen-kannst«, sagt Lacey. »Ich sehe was, was du nicht sehen kannst, und das ist das Herz eines Helden, ein Herz, das nicht für sich schlägt, sondern für die ganze Menschheit.«
»ICH BIN KEIN HELD. ICH WOLLTE NUR NICHT STERBEN«, schreit Ben.
»Leute, wisst ihr noch, wie wir damals im Kleinbus, es ist vielleicht zwanzig Minuten her, irgendwie überlebt haben?«
Vierzehnte Stunde
Nachdem wir den ersten Schock verarbeitet haben, sind wir wieder fit. Wir versuchen die Scherben der
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