Margos Spuren
durchdrehen, als Ben das Lenkrad in die andere Richtung reißt. Ich sehe nicht mehr hin. Ich weiß nicht, ob ich die Augen geschlossen habe oder ob sie einfach aufgehört haben zu sehen. Mein Magen und meine Lungen treffen sich in der Mitte und prallen aufeinander. Etwas Spitzes trifft meine Wange. Wir bleiben stehen.
Ich weiß nicht, warum, aber ich berühre mein Gesicht. Als ich meine Hand ansehe, ist da Blut. Dann tastete ich meine Arme ab, umarme mich selbst, aber ich will nur nachsehen, ob meine Arme noch an ihrem Platz sind, und das sind sie. Ich sehe meine Beine an. Sie sind da. Da sind Scherben. Ich sehe mich um. Kaputte Flaschen. Ben sieht mich an. Ben berührt sein Gesicht. Er sieht aus, als wäre ihm nichts passiert. Er umarmt sich, wie ich es getan habe. Seine Glieder sind noch dran. Er sieht mich an. Im Rückspiegel sehe ich die Kuh. Und erst dann, verspätet, fängt Ben zu schreien an. Er starrt mich an und schreit, der Mund weit aufgerissen, und sein Schrei ist tief und kehlig und zu Tode erschrocken. Dann hört er auf zu schreien. Irgendwas stimmt nicht mit mir. Ich fühle mich schwach. Meine Brust brennt. Und dann schnappe ich nach Luft. Ich hatte vergessen zu atmen. Ich hatte die ganze Zeit die Luft angehalten. Es geht mir viel besser, als ich wieder atme. Durch die Nase einatmen, durch den Mund ausatmen.
»Wer ist verletzt?«, schreit Lacey. Sie hat sich aus der Schlafposition abgeschnallt und beugt sich über die Lehne nach ganz hinten. Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass die Kofferraumtür aufgegangen ist, und einen Moment lang glaube ich, Radar wurde aus dem Wagen geschleudert, aber dann setzt er sich auf. Er fährt sich mit den Händen durchs Gesicht und sagt : »Bei mir alles klar. Geht es allen gut?«
Lacey antwortet nicht; sie springt nach vorne zwischen Ben und mich. Über die Küche gebeugt, sieht sie Ben an. Sie sagt : »Liebster, bist du verletzt?« In ihren Augen ist so viel Wasser wie in einem Swimmingpool an einem Regentag. Und Ben sagt : »MirgehtsgutQblutet.«
Sie sieht mich an, und ich sollte nicht weinen, aber ich weine, nicht weil es wehtut, sondern weil ich Angst habe, und ich habe das Lenkrad losgelassen, und Ben hat uns gerettet, und jetzt guckt mich dieses Mädchen an, und sie guckt mich auf die Art an, wie meine Mama mich früher angesehen hat, und aus irgendeinem Grund bringt mich das aus der Fassung. Ich weiß, dass der Kratzer auf meiner Wange nicht schlimm ist, und das will ich ihr auch sagen, aber ich weine einfach weiter. Lacey drückt die Finger auf den Schnitt, und ihre Finger sind schmal und weich, und sie schreit Ben an, er soll ihr irgendwas geben, das sie als Verband nehmen kann, und dann drückt sie ein kleines Stück Südstaatenflagge auf meine Wange, rechts neben die Nase. Sie sagt : »Drück fest drauf; es ist nicht schlimm; tut dir sonst was weh?«, und ich sage Nein. In diesem Moment merke ich, dass der Wagen noch läuft, und der Gang noch drin ist, und wir stehen nur, weil ich den Fuß auf der Bremse habe. Ich schalte in Parkposition und stelle den Motor ab. Als der Wagen aus ist, höre ich, dass irgendwo Flüssigkeit ausläuft – es tropft nicht, es plätschert.
»Wahrscheinlich sollten wir raus hier«, sagt Radar. Ich drücke die Südstaatenflagge an meine Wange. Es plätschert weiter.
»Benzin! Das Ding fliegt hoch!«, schreit Ben. Er reißt die Tür auf und rennt panisch los. Mit Schwung setzt er über einen Weidezaun und galoppiert über ein Heufeld. Auch ich steige aus, nicht ganz so eilig. Radar ist auch draußen, und während Ben um sein Leben rennt, fängt Radar zu lachen an. »Es ist das Bier«, sagt er.
»Was?«
»Die ganzen Bierflaschen sind kaputtgegangen«, sagt er und nickt zur offenen Kühlbox im Kofferraum, aus der literweise schäumendes Bier herausströmt.
Wir versuchen Ben zu rufen, aber er hört uns nicht, weil er die ganze Zeit »DAS DING FLIEGT HOCH« schreit, während er über das Feld rennt. In der grauen Morgendämmerung fliegt sein Talar hoch, und wir können seinen knochigen Hintern sehen.
Ich drehe mich um und sehe zum Highway, weil ich einen Wagen kommen höre. Das weiße Ungetüm und seine gefleckte Freundin haben sich erfolgreich in den Schutz des gegenüberliegenden Seitenstreifens begeben, wo sie immer noch untätig herumstehen. Als ich mich umdrehe, erkenne ich erst, dass der Kleinbus gegen einen Zaun gefahren ist.
Ich versuche den Schaden abzuschätzen, als Ben wieder eintrudelt. Anscheinend haben
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